
Tor zum Münchner Norden
Mit dem Schwabinger Tor steht eines der großen Münchener Projekte vor dem Baustart. Das neue Quartier, von international renomierten Architekten entworfen, soll das Viertel Schwabing Ost zwischen Münchner Freiheit und Parkstadt sowie zwischen Leopoldstraße und Ungererstraße deutlich aufwerten.
In Schwabing-Ost traf sich die Boheme. Hier wohnten Thomas Mann, Bert Brecht, Franziska Gräfin zu Reventlow, Rilke und Ringelnatz. Später wurde das Image des Viertels durch die Schwabinger Krawalle, Klaus Kinski und Filmen wie „Zu Sache, Schätzchen“ mit Uschi Glas geprägt.
Längst haben Glockenbach-, Gärtnerplatzviertel und das Westend Schwabing als Mode- und Szenviertel abgelöst. Hier wohnen längst nicht mehr arme Künstler, sondern Spitzenverdiener und Vermögende. Deutlichstes Zeichen dafür ist das neueste Projekt nördlich der Münchner Freiheit. Auf einem 3,5 Hektar großen Grundstück zwischen Leopoldstraße und Berliner Straße entsteht an der Stelle des Metro-Marktes (Bild links, von links nach rechts: Holiday Inn, Metro, darüber die Bürohochhäuser des Münchner Tor und dem Highlight Towers) und dem ersten Münchner Holiday Inn Hotel das Schwabinger Tor.
Die Jost Hurler Unternehmensgruppe investiert 400 Millionen Euro für ein neues durchgesigntes Quartier: Die neun Baukörper sollen nach dem Wettbewerbsentwurf der Münchner 03 Architekten in versetzter Lage zueinander angeordnet sein (siehe Plan rechts) und dadurch Raum für Plätze und Grünflächen schaffen. Die Gebäude werden durch eine Gruppe international renommierter Architektenbüros gestaltet, des Schweizer Max Dudler, den Dänen Schmidt Hammer Lassen und der Münchner Hild und K.
Die Architekten der verschiedenen Büros haben seit Herbst 2011 in der Leopoldstraße 202a Quartier bezogen, wo sie unter einem Dach und in direkter Nachbarschaft zur Großbaustelle arbeiten werden. „Diese Form der Zusammenarbeit hat große, architekturhistorische Vorgänger“, so Gerhard Kanzler, von der Geschäftsführer der Jost Hurler Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft. „Wie die Bauhütten im Mittelalter oder das Dessauer Bauhaus wollen wir auch beim Schwabinger Tor herausragende Baumeister vereinen – Ziel einer solchen Arbeitsgemeinschaft war und ist es immer, zusammen für die Gemeinschaft etwas Herausragendes zu schaffen.“
Das Ensemble soll 270 Wohnungen (22.500 Quadratmeter), Büros mit etwa 500 Arbeitsplätze (19.300 Quadratmeter), fünf bis 15 Läden (3200 Quadratmeter) und ein 320-Zimmer-Hotel (35.600 Quadratmeter) umfassen. 1400 Tiefgarangenstellplätze werden in drei, von den Österreich ansässigen ATP Architekten & Ingenieure entworfen Untergeschosse mit einer Fläche von insgesamt 100.000 Quadratmetern untergebracht.
Dagegen wirken die umliegenden Anlagen gemütlich: Direkt östlich vom Neubauprojekt befindet sich die Wohnanlage Berliner Straße, die zwischen 1982 und 1987 nach den Plänen von Peter Petzold mit Toni Gottfried und Toni Hansjakob errichtet wurde. Der damalige Entwurf überzeugte mit einer relativ niedrigen viergeschossigen, aber dichten Bau-struktur, da man zu dieser Zeit der großen Formen mit Höhen á la Neuperlach überdrüssig war. Mit der Philosophie „lowrise – high density“ konnten trotz dem menschlichen Maßstab auf einer Fläche von 31 Hektar 1560 Wohneinheiten untergebracht werden. Auch wenn architektonische Stilelemente,wie die postmoderne Ausbildung der Ecken der Wohnblöcke und die Betonsäulen der Durchgänge heute eigenartig wirken, so „wurden mit dem Quartier an der Berliner Straße neue Qualitätsmaßstäbe gesetzt.“ (Ferdinand Stracke).
Das Quartier weist durch den eigens angelegten Schwabinger See am Ungerer-Bad viel Grün und einen hohen Freizeitwert auf. An Sommer-Wochenenden kann es in dem Freibad allerdings eng werden, da sich dort bis zu 10.000 Badegäste tummeln können. Sein Name verdankt das Bad seinem ehemaligen Besitzer, August Ungerer, der hier zunächst die erste elektrische Straßenbahn Münchens betrieben hatte. Das Ungererbad entstand um 1900 in Form eines Naturbades und wurde später parkähnlich angelegt, so dass es heute große Liegewiesen und einen alten Baumbestand aufweist.
Der Süden der westlichen Ungererstraße von der Münchner Freiheit kommend, besteht hauptsächlich aus den in den 1970er-Jahre entstandenen Geschosswohnungsbauten in Betonweise. Es folgt Richtung Norden ein Villenviertel in bester Wohnlage und dann wieder einer neueren Wohnbebauung bis zur Höhe der Grünanlagen um den Schwabinger See und dem Ungererbad. Weiter nördlich herrschen bis zur Schenkendorfstraße Bürogebäude vor. Einen anderen Charakter hat dagegen die Ostseite der Ungererstraße am benachbarten Stadtviertel Kleinhesselohe, bei der Mietshäuser ab der Gründerzeit überwiegen.
Direkt an das Stadtviertel grenzt im Norden die Parkstadt Schwabing an, das mit der neuen Tramlinie 23 über das künftigen Schwabinger Tor mit der Münchner Freiheit verbunden ist. Die Bereiche werden jedoch durch die stark befahrene Schenkendorfstraße des Mittleren Rings durchschnitten. Als Lärmschutz (siehe Seite 06) nach Norden dienen das Bürohochhaus Münchner Tor der Münchner Rück, die Glaspaläste der Swiss Life sowie der Sandsteinbau der Sparkasse München und nach Osten der Bau der MAN-Zentrale. Statt Kunst soll nun in Schwabing-Ost Vermögen vermehrt werden.
Das Viertel in Zahlen
Das ehemalige Dorf Schwabing teilt sich heute auf die zwei Münchner Stadtbezirke Schwabing-West und Schwabing-Freimann auf. Das beschriebene Stadtviertel Schwabing-Ost ist eines von acht Bezirksteilen von Schwabing-Freimann. Kultureller Mittelpunkt ist die an die Münchner Freiheit angrenzende Erlöserkirche von Theodor Fischer (Bild links).
Im Süden wird das Viertel Schwabing-Ost durch die Linie Herzogstraße-Feilitzschstraße von dem Viertel Münchner Freiheit begrenzt, im Osten bildet die Ungererstraße die Grenze zum Viertel Kleinhesselohe. Die Nordgrenze bildet zur Alte Heide – Hirschau eine diagonale Linie vom Ungerer Bad bis etwa zur Stelle, wo die Leopoldstraße sich mit dem Mittleren Ring (Petueltunnel – Schenkendorfstraße) kreuzt. Die westliche Grenze zum Stadtbezirk Schwabing-West bilden die Isoldenstraße und die Viktoriastraße.
Einwohner: Das Durchschnittsalter der Viertel-Bewohner liegt ein Jahr unter dem Durchschnittsalter der Stadtbewohner insgesamt. Es gibt viel kleinere Haushalte, insbesondere Ein-Personen-Haushalte. Ausländeranteil in Schwabing-Ost liegt unter dem Stadtdurchschnitt.
Infrastruktur: Einkaufsmöglichkeiten sind vor allem an der Münchner Freiheit anzutreffen. Drei U-Bahnhaltestellen (U6, U3: Münchner Freiheit, U6: Dietlindenstraße, Nordfriedhof) und Tramlinie 23. Grünanlagen sind um das Ungerer-Bad und am Schwabinger See anzutreffen. Auch befindet sich das Viertel in der Nähe zum Englischen Garten, der sich wenige Meter östlich der Ungererstraße befindet. Im Nordwesten befindet sich zudem über dem Petueltunnel der relativ neue Petuelpark.
Das Viertel weist verschiedene Schulen auf. Am bekanntesten ist das Oskar-von-Miller-Gymnasium in der Siegfriedstraße westlich der Münchner Freiheit.
Immobilien: In den vergangenen drei Jahren war ein starker Preisanstieg unter anderem wegen Neubauten in benachbarten Viertel zu verzeichnen: So wurde im Norden die Parkstadt Schwabing errichtet, vor allem aber bewirkte der Bau der Wohnanlagen in der Isoldenstraße nördlich dem Schwabinger Krankenhaus westlich von Schwabing Ost einen Preisauftrieb.
Nach dem Mietspiegel 2011 der Landeshauptstadt München besteht Schwabing-Ost nahezu ausschließlich aus „guten“ und „besten“ Wohnlagen. Lediglich der Bereich östlich der Leopoldstraße und westlich der Berliner Straße nördlich der Johann-Fichte-Straße bis zur Schenkendorfstraße wird als „durchschnittliche“ Wohnlage klassifiziert. Dies dürfte sich zumindest für den südlichen Abschnitt dieses Bereiches mit der Fertigstellung des Schwabinger Tors, dass sich genau auf diesem Grund befindet, ändern.
Als „Beste Wohnlage“ gilt der Bereich westlich der U-Bahnhaltestelle Dietlindenstraße. Hier befinden sich zwischen Ungererstraße im Osten und der Germania- und Reventlowstraße im Westen sowie zwischen Potsdamerstraße im Süden und dem Ungererbad überwiegend Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Villen mit großzügigen Gartenanlagen. Die übrigen Wohnbereiche von Schwabing-Ost sind „gute Wohnanlagen“.