
Verkauft der Finanzminister sein Tafelsilber?
Auf dem Marsfeld befanden sich Kasernen, Brauereien und Gleise. Nun entwickelt es sich zum Dienstleistungs- und Wohnquartier. Das Projekt des Arnulfparks ist faktisch abgeschlossen. Doch es bestehen gegenüber noch Entwicklungspotenziale – auch auf Grund des Land Bayern.
Als Machtpolitiker hält sich Markus Söder gerne alle Optionen offen. Im Frühjahr 2013 zog sich Bayerns Finanzminister den Ärger seiner Münchner Parteifreunde wie des damaligen CSU-Stadtrats-Vorsitzenden Josef Schmid zu, als er auf Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordenten Claudia Stamm einräumte, dass an dem Areal von Münchnes Finanzamt in der Deroystraße "mehrere Immobilien-Marktteilnehmer“ Interesse hätten. Damals ließ Söder den Wegzug der Bewertungsstelle für Grundbesitz und Teile der Veranlagungs- und der zugehörigen Rechtsbehelfsstelle mit insgesamt 145 Arbeitsplätze aus München prüfen.
In „München hat bereits einen Aderlass hinter sich, jetzt reicht es,“ schimpfte Parteifreund Josef Schmid. In der Vergangenheit wurden über 640 Arbeitsplätze der Steuerverwaltung aus München in Städte wie Ingolstadt und Regensburg verlagert. Zweieinhalb Jahre später kann von einer Verlagerung des Finanzamtes nicht mehr die Rede sein. Stattdessen startete Söder den Bau von Europs größtem Finanzamt. Am 23. Oktober führte der Finanzminister den Spatenstich für den Neubau eines auf rund 12.000 Quadratmeter angelegten Neubaus für geplante 66 Millionen Euro auf einer noch freien Fläche des Finanzamtsareals durch. Schmid, mittlerweile Münchens 2. Bürgermeister, darf sich freuen.
Der nun begonnene Neubau ist nur der erste von sechs Bauabschnitten des Steuercampus. Die Gesamtbaumaßnahme beginnt mit Errichtung eines zentralen Verwaltungs- und Bürogebäudes für 650 Mitarbeiter in der Nord-West-Ecke des Areals an der Deroystraße. In 20 Jahren soll hier für 362 Millionen Euro nach den Plänen der Nürnberger Architekten Bär, Stadelmann, Stöcker Europas größtes Finanzamt entstehen. Diese hatten den Wettbewerb bereits 2008 unter Söders Vorgänger Georg Fahrenschon gewonnen.
Im Fall des Verkaufs dieses Tafelsilbers hätte Söder gut Kasse gemacht. Nach der erfolgreichen Entwicklung des gegenüberliegenden Arnulfparkes auf dem Gelände des ehemaligen Containerbahnhofs, wurde die Gegend des Marsfelds an der Arnulfstraße deutlich aufgewertet. 2004 hatte die damalige Vivico (heute: CA Immo) begonnen das Areal an den Gleisen zwischen Hackerbrücke und Donnersbergerbrücke zu entwickeln und Grundstücke an andere Bauträger vergeben. Mittlerweile ist der Bereich nahezu fertiggestellt: Von Bürogebäuden vom Bahn- und Autolärm abgeschirmt, stehen nun die bereits voll verkauften und vermieteten Geschosswohnungsbauten am neuen Park.
Auch die Bürogebäude Kontorhaus und NOVE gegenüber dem ehemaligen ICADE-Gebäude (nun von EY gemietet) sind noch im Bau: Obwohl noch nicht fertiggestellt, sind bereits große Teile dieser Bürogebäude vermietet. Renomierte Mieter wie des Pharmakonzerns Bristol Myers-Squibb und der Wirtschaftsprüfergesellschaft PricewaterhouseCoopers haben sich für den relativ zentral Arnulfpark als neue Firmenadresse entschieden.
Bald ist auch die neue neue Schule mit Tagesheim und Sporthalle in der Marlene-Dietrich-Straße errichtet (Bild links, rechte Bildseite). „Rohbau und Fassade der Grundschule am Arnulfpark sind fertiggestellt“, sagt Johannes Talhoff vom Architekturbüro Hess/Talhof/Kusmierz in München. „Bis zur völligen Fertigstellung mit Außenanlagen und den Inneneinrichtungen in diesem Jahr werden nur noch einige Monate vergehen.“
Lange galt das Marsfeld im westlichen Bereich der Maxvorstadt nicht gerade als typisches Wohngebiet. Zuvor dienten die Flächen als Exerzierplatz und Militärgelände – weshalb es in des römischen Kriegsgott Mars seinen Namen erhielt. Das militärisch genutzte Areal reichte dabei vom Galgenberg im Südosten bis zur Stelle, wo sich heute die Landshuter Allee und die Nymphenburger Straße schneiden. Der zum Marsfeld führende Weg hieß etwa ab 1820 „Marsstraße“. Ab 1888 wurde mit dem Bau einer Kasernenanlage begonnen, die die alte Salzstadelkaserne ablöste. Später wurden die Gebäude an die Polizei München (beute auch das Bayerische Landeskriminalamt) und dem Wittelsbacher-Gymnasium übergeben.
Nördlich der Marsstraße waren bereits im 19. Jahrhundert umfangreiche Brauereianlagen entstanden. Noch heute bestehen umfangreiche Anlagen der Spatenbrauerei und der Löwenbrauerei. An der Marsstraße entstand auch der Sitz des Zirkus Krone.
Ab 1923 wurden die ehemalige Kasernenanlagen durch verschiedene Behörden genutzt. So hatten unter anderem das Finanzamt und die Oberpostdirektion dort ihren Sitz.
Mit der Fertigstellung des Arnulfparks sind aber nicht alle geplanten Neubauprojekte am Marsfeld abgeschlossen. So erfahren die ehemaligen Postgebäude an der nördlichen Seite der Arnulfstraße eine neue Nutzung. Bereits saniert und an gewerbliche Nutzer vermietet ist das Art Deco Gebäude. Es wurde wie das gegenüberliegende Postzustellamt – dass durch seine markanten Lichtkuppel auffällt – von Robert Vorhoelzer, dem führenden Vertreter der Postbauschule, Anfang der 1920er Jahre erbaut.
An dem westlichen Teil des Postzustellamt wollen die Investoren Mike 2 GmbH &Co. KG nach den Plänen der Basler Architekten Christ & Gantenbein einen siebengeschossigen Gebäuderiegel mit Wohnungen ergänzen. Gegenüber liegt das Finanzamt.
Zahlen zum Viertel
Das Marsfeld ist einer von neun Stadtbezirksteilen der Maxvorstadt. Ende 2009 wohnten 3.624 Einwohner auf einer Fläche von 80,4177 Hektar, was einer Bevölkerungsdichte 4506 Einwohnern pro Quadratkilometer ergibt Nur etwas leicht über dem Stadtdurchschnitt. Dies ist für die relativ zentrale Lage ungewöhnlich, hängt aber am hohen gewerblich genutzten Anteil der Bebauung ab. Im Norden wird das Marsfeld durch die Nymphenburger Straße vom Bezirksteil St. Benno abgegrenzt, und im Osten durch die Seidlstraße vom Bezirksteil Augustenstraße. Im Südwesten wird das Marsfeld von der Landsberger Straße zum Bezirksteil Westend des Stadtbezirks Schwanthalerhöhe abgegrenzt. Im Südosten vom Marsfeld befindet sich der Bezirksteil St. Paul des Stadtbezirks Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Nordwestlich der Linie Marsstraße-Maillingerstraße befindet sich St. Vinzenz, ein Teil des Stadtbezirks Neuhausen-Nymphenburg.
Einwohner: Im Marsfeld leben, bedingt durch das Neubauviertel Arnulfpark, sehr viele junge Familien. Aber auch etwas überproportional viele Singles. Der Altersdurchschnitt der Bewohner des Marsfelds liegt deutlich unter dem der Stadt. Auch ein hoher Ausländeranteil kennzeichnen die Bewohnerstruktur des Marsfeld.
Infrastruktur: Im Süden befindet sich die S-Bahn-Stammstrecke mit den Haltestellen Hackerbrücke und Donnersbergbrücke. Der neue Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) der Auer Weber Architekten (Bild links) befindet sich direkt an der Hackerbrücke und in der Nähe des Arnulfparks, auch der Hauptbahnhof befindet sich nicht weit entfernt und ist zu Fuß relativ schnell erreichbar. Als neue Grünfläche wurde der Arnulfpark in der Mitte des gleichnamigen Neubauviertels angelegt. Bekannter Biergarten ist der Augustiner Biergarten an der Arnulfstraße (Bild oben).
Immobilien: Die ab etwa 2005 erbauten Wohnungen der neuen Geschossbauten sind alle vermietet oder verkauft. Hohes Preis- und Mietniveau. Eine Übersicht über die geplanten und bereits im Bau befindlichen Projekte geben die rot eingefärbten Flächen in der Karte oben.
Im Mietspiegel für München 2011 ist das Wohngebiet des Marsfelds nahezu ausschließlich als „gute Wohnlage“ gekennzeichnet. Als Wohngegend im Marsfeld gilt allerdings nur ein Bereich des Arnulfparks südlich der Arnulfstraße und ein Bereich südlich der Nymphenburger Straße.
Gewerbeimmobilien:
Mit der Errichtung des Arnulfparkes entstanden eine Reihe neuer Büroimmobilien. Von der Hackerbrücke nach Westen gehören unter anderem dazu das ATMOS, der Skygarden, das Central & Park, das gerade im Bau befindliche Kontorhaus und das Metris.