Wohnen zwischen Kliniken und Bahnhof

Um 1750 ließen sich Barmherzigen Brüder in München nieder und errichteteten ein Klosterspital. Daraus entstanden die Ludwigsvorstadt-Kliniken. Nördlich bildete sich um den Bahnhof ein Hotel- und Rotlicht-Viertel. Nun entdecken Projektentwickler das Gebiet.

 

Bei der Kapelle zu den Drei Kreuzen, südlich des Sendlinger Tores, errichteten die Barmherzigen Brüder ihr Klosterspital, wo sie sich der Pflege männlicher Kranken widmeten. Es war der Beginn des heutigen Klinikviertel in der Ludwigsvorstadt.

Mit dem Abbruch der Altstadtbefestigung durch Graf Rumford und der Anlage der Sonnenstraße durch den Landschaftsarchitekten Friedrich Ludwig von Sckell zwischen Karlsplatz und Sendlinger Tor wurde die Stadt nach Westen erweitert und das Krankenhaus integriert.

Heute nehmen die Kliniken fast die Hälfte des gleichnamigen Stadtviertels (Ludwigsvorstadt-Kliniken) ein. Im November wurde ein Architektenwettbewerb zur Erweiterung des ursprünglichen Spitals entschieden. Nickl & Partner Architekten gewannen zusammen mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten  mit ihrem Entwurf zur Portalklinik westlich der St. Matthäus Kirche von Gustav Gsaenger den ersten Preis.

 Die Barmherzigen Brüder sind dort schon lange nicht mehr beheimatet. Im Zuge der Säkularisierung während der Zeit Napoleons wurden sie vertrieben. Das Spital wurde mit dem benachbarten Elisabethinnen-Spital zu einem weltlichen Allgemeinen Krankenhaus zusammengelegt und von Nikolaus Schedel von Greifenstein noch fortschrittlichem Grundriss umgebaut. Die Fassade wurde gar durch Karl von Fischer, dem Erbauer des Nationaltheaters, neu gestaltet.

 

 

1826 verlegte König Ludwig I. die Universität mit der medizinischen Fakultät von Landshut nach München. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde daher das Klinikviertel stark ausgeweitet.In Folgezeit erfuhr die Umgebung eine Ausdehnung an Klinikgebäuden. Der früheste Ableger der Krankenhauses war die durch Leo von Klenze errichtete alte Anatomie. Es folgte 1880 der Bau des Haunersches Kinderspital (1880) und der Chirurgischen Klinik (1889) durch Arnold Zenetti, der des Direktorenhauses durch Carl Hocheder (1893), die Hebammenschule (um 1900, heute HNO-Klinik), die Psychiatrische Klinik (1902) durch Max Littmann, die Augenklinik (1905-1908) und die Poliklinik (1907 -1910, mit Theodor Kollmann) durch Ludwig von Stempel, die neue Anatomie durch Max Littmann,  die (ehemaligen) Frauenklinik (1915) und die Dermatologische Klinik (1926- 1928, mit Hans Grässel) durch Richard Schachner, die neue Frauenklinik (1913 – 1916) und das Pathologische Institut (1928-1930) durch Theodor Kollmann, das Hörsaalgebäude des Physiologischen Instituts (1954 – 1956) durch Otto Mayer . 

N Nördlich der Pettenkoferstraße hat das Viertel allerdings einen anderen Charakter. Nach dem Bau des Bahnhofs (1848) entwickelte sich hier ein Künstlerviertel mit Hotel- und Veranstaltungszentrum, dass zudem von der Nähe zur Theresienwiese, wo jedes Jahr das Oktoberfest stattfindet, profitiert. Hier wohnten der Bildhauer Ludwig von Schwanthaler, die Maler Moritz von Schwind und Friedrich August von Kaulbach. Mittelpunkt bildet heute die Schwanthaler Straße, die mit dem Bau des Deutschen Theaters im neubarocken Stil (Bild rechts) und durch große Kontorhäuser einen städtischen Flair erhielt.

Heute genießt das Bahnhofsviertel aufgrund dem hier anzutreffende Rotlicht-Milieu und dem hohen Ausländeranteil nicht den besten Ruf. In den vergangenen Jahren wurde das Viertel aber durch Hotels der gehobenen Klasse wie dem Sofitel München Bayernpost oder dem Le Méridien aufgewertet. Aktuell im Gespräch ist der Neubau des Hotel Königshof (Bild links) am Stachus.

Auch das Deutsche Theater wird seit 2008 aufwendig renoviert und soll im Oktober 2013 eröffnet werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Sanierungsarbeiten statt den ursprünglich veranschlagten 45 Millionen Euro nun 90 Millionen Euro kosten werden.

Die zentrale Lage und das Aufwertungspotenzial zieht auch Projektentwickler an. So hat die JK Wohnbau in der Schillerstraße 41 das Gebäude eines ehemaligen Elektronikunternehmens in ein Apartmenthaus umgewandelt. „Die 25 bis 50 Quadratmeter großen Apartments haben wir innerhalb kurzer Zeit weitgehend an Mieter mit internationaler Herkunft und verschiedenster Berufe vermietet“, sagt Michael Haupt, Vorstandssprecher der JK Wohnbau. Die Wohnungen sind nach einem durchdachten Standard mit einer maßgefertigte Einbauküche, Bad und einen Bereich zum Schlafen, Wohnen und Essen ausgestattet. Das Gebäude wurde bereits an eine Versicherung als Investitionsobjekt verkauft. JK Wohnbau sieht in Apartmenthäuser mit kleinen Wohnungen aufgrund einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie „Innerstädtische Apartments“ von Ernst & Young in einigen Großstädten großes Potenzial.

Unweit davon errichtet Hochtief Solutions formart in der Paul-Heyse-Straße die Wohnanlage Nowelle mit 83 Wohneinheiten verteilt auf zwei Gebäude. Mit Erfolg: 70 Prozent der Wohneinheiten sind bereits veräußert. Die Fertigstellung ist für Anfang 2014 geplant.

Auch in der Lessingstraße wird gebaut. Corpus Sireo errichtet mit „Lessing Drei“ ein Mehrfamilienhaus mit 12 Wohnungen, die ebenfalls bereits fast alle verkauft sind.

Das größte Großprojekt betrifft aber den Hauptbahnhof. Er soll eine neue Fassade, ein saniertes Sperrengeschoss und einen Anschluss an die künfige zweite S-Bahn-Stammstrecke. Die Bundesbahn hatte bereits 2008 einen Wettbewerb ausgeschrieben, hatte dann aber den Siegerentwurf der Architekten Auer + Weber + Assoziierte (Animation links) aus Kostengründen abgelehnt. Im Mai 2011 gab die Bahn bekannt, statt dem im Realisierungswettbewerb ausgewählten Entwurf einen einfacheren Bau umsetzen zu wollen und begründete dies mit geringeren Kosten. Die Stadt München und der Stadtrat kritisierten den Alternativvorschlag als unzureichend, zudem wird die Kostenersparnis angezweifelt, da der neue Entwurf vor allem aufgrund von kleiner dimensionierten Verbindungsgängen zwischen S- und U-Bahn im Untergrund günstiger wäre. Bei der Vorstellung der alternativen Pläne im Münchner Stadtrat am 18. Mai 2011 kam es zum Eklat, als ein Bahnmanager sich den Fragen der Stadtratsmitglieder verweigerte.
Mittlerweile sollen sich die Wogen der Erregung wieder geglättet haben. Letzter Stand: Der Entwurf von Auer+Weber+Assoziierte soll überarbeitet werden und das Projekt neu erwogen werden.         

 

Das Viertel in Zahlen

 

 

Der Bereich der Ludwigsvorstadt-Kliniken ist verwaltungstechnisch ein Teilbezirk ders heutigen zweiten Stadtbezirks, der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt.

Die Ludwigsvorstadt-Kliniken werden im Osten durch die Sonnenstraße von der Altstadt getrennt, im Südosten verläuft die Grenze zwischen Sendlinger Tor und Goetheplatz zum Nachbarviertel Südfriedhof. Die Linie Goethestraße- Beethovenplatz trennt den Teilbezirk nach Westen hin zum Nachbarviertel St. Paul. Im Norden – also entlang der Nordseite des Hauptbahnhofs trennt die Arnulfstraße das Viertel vom Stadtbezirk Maxvorstadt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einwohner:  Das Viertel zeichnet sich durch einen sehr hohen Anteil an Single-Haushalte und durch relativ viele Ausländer aus. Niedriger Alterdurchschnitt der Bewohner. 

 

Infrastruktur: Durch den Hauptbahnhof, Stachus und Sendlinger Tor zentrale Anbindung an ÖPNV. Beste Einkaufsmöglichkeiten (Stachus, Altstadt) und beste medizinische Versorgung durch Kliniken.

Kleinere Grünanlagen sind im oder neben dem Viertel fußläufig zu erreichen: Der kleine Park am Sendlinger Tor südlich der Kirche St. Matthäus, der Alte Botanischer Garten nördlich des Justizpalastes (von Friedrich Thiersch) und östlich der Lindwurmstraße der alte Südfriedhof.

 

Immobilien: Die Preise von Neubauwohnungen beginnen ab etwa 5100 Euro pro Quadratmeter und reichen bis etwa 9000 Euro pro Quadratmeter.

Nach dem Mietspiegel des Landeshauptstadt München von 2011 teilt sich das Viertel in etwa zwischen dem Klinikbereich und dem "Bahnhofsviertel" auf: Als "gute Wohnlage gilt der Bereich zwischen Sendlinger Tor und Goetheplatz bis zum Georg Hirth-Platz und südlich der Landwehrstraße. Der nördlich davon gelegen Bereich wird als "durchschnittliche Wohnlage" klassifiziert".