
Altbau-Liebhaber im Franzosenviertel
Für Altbau-Liebhaber ist das Franzosenviertel das Paradies. Preise und Mieten sind jedoch für viele Wohnungs-Interessenten unerschwinglich. Dabei war das heutige Gründzeitviertel mit den grünen Plätzen, Modeläden und Kneipen mal ein Quartier für Tagelöhner, Arbeiter und kleine Leute.
Haidhausen gilt als In-Viertel. Schöne Altbauten, grüne Plätze und eine Vielzahl von Kneipen, Restaurants und Cafes machen besonders das Franzosenviertel zwischen Rosenheimer Platz und dem Ostbahnhof zu einer begehrten Wohnlage. Doch wer als Wohnungssuchender hier überhaupt zum Zuge kommt, der muss dafür einen hohen Preise oder eine teure Miete bezahlen.
Dabei galt Haidhausen-Süd lange Zeit als Gegend der kleinen Leute, der Arbeiter und bis in die 1980er-Jahre als Glasschwerbenviertel. Dann verwandelte sich das Viertel durch den Zuzug von Künstlern, Kreativen, Akademiker und Freiberufler. „Haidhausen und Schwabing in München waren in Deutschland die ersten Fallstudien zur Gentrification, die es überhaupt gab“, sagt der Berliner Soziologe Andrej Holm in einem Interview mit der „Zeit“.
Rechts über der Isar wohnten zunächst arme Tagelöhner, die in den primitiven Herbergshäuschen (Bild links) eine Unterkunft fanden.Weil die meist steilen Hänge und die von Überschwemmung gefährdeten Auen an der Isar nicht für landwirtschaftliche Zwecke nutzbar waren, überließ der Adel diesen armen Arbeitern den Grund. Es waren meist Holzknechte, Wäscher, Ziegelarbeiter, Maurer und Zimmerer, die sich hier niederließen. Die Herbergen wurden in einfacher Bauweise errichtet, waren nicht unterkellert und meistens feucht. Die Menschen lebten unter sehr schlechten und ungesunden Verhältnissen.
Später entstanden hier Mietshäuser für Arbeiter und Kleingewerbetreibende im Umfeld des Haidhauser Bahnhofes. Der 1871 erbaute Ziegelbau war der letzte Gebäude, dass der Bahnhofs-Architekt und Schöpfer der Maximilansstraße, Friedrich Bürklein vor seinem Tod vollenden konnte. Bürklein galt als Meister seines Faches, hatte er doch bereits den Pasinger Bahnhof (Bürklein-Bau), den Münchner Hauptbahnhof, sowie die Bahnhöfe in Augsburg, Würzburg, Nürnberg und Rosenheim errichtet.
Mit der kühnen Stahlkonstruktion des Münchner Hauptbahnhofs weckte Bürklein das Interesse des Kronprinzen. Maximilian beauftragte später als König den Baumeister mit dem Bau der Maximilianstraße und ihren krönenden Abschluss, dem Maximilianeum. Doch auch der von Bürklein entworfene und von Jacob Graff ausgeführte Haidhauser Bahnhof (Bild links, unten im Vordergrund) war keinesfalls bescheiden: der Bau verschlang die horrende Summe von nahezu sieben Millionen Gulden.
Der Bahnhof gab den Auftakt für die Entwicklung eines weit größeren Projekts, des vom Stadtbaurat Arnold von Zenetti entworfenen Stadtviertels in Haidhausen (siehe Plan oben rechts, und Bild links). Ausgehend vom Bahnhofsvorplatz – dem halbrunden Orleansplatz– ging eine symmetrisch angelegte Dreistrahlanlage aus: Die Wörthstraße bildet die Mittelachse – die Weißenburger Straße und Belfortstraße die Diagonalen. Nach den Kriegsschauplätzen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/1871 wurden die Straßen benannt.
Die meist viergeschossige, sehr dichte Bebauung wurde weitgehend zwischen 1872 und vor der Jahrhundertwende verwirklicht. Die Bebauung richtete sich nach dem Stil der Neurenaissance und des Neubarocks. Oft wurde nicht nur entlang den Straßen, sondern auch in den Hinterhöfen eng gebaut, um günstigen Wohnraum ärmere Bevölkerung bereitzustellen. So entstand um 1900 eines der dichtest besiedelten Gebiete Münchens, das heute über einen besonders hohen Anteil an älterer Bausubstanz verfügt.
Als in den 1980er Jahren Industrieareale abgerissen und durch Wohnraum ersetzt wurden, wurden auch die Altbauten saniert. Durch den Bau des Kulturzentrum Gasteig im Westen des Viertels wurde die Verbindung zu den zentralen Stadtbezirken hergestellt. Der nach dem Entwurf der Architekten Raue, Rollenhagen und Lindemann errichtete Komplex wurde bei mehrmaliger Kostenüberschreitung nach siebenjähriger Bauzeit im November 1985 eingeweiht. Der auch als Klotz am Berg, Kulturvollzugsanstalt oder Kulturbunker bezeichnete Ziegelbau ist Sitz der Stadtbibliothek, der VHS und den beiden größten Münchner Konzertsälen. Doch die umstrittene Akustik ist ein Grund, warum der Freistaat den Bau eines neuen Konzerthaus auf der Museumsinsel vorschlug. Mit durchschnittlich 6000 Besucher pro Tag ist das Kulturzentrum Gasteig aber ein Publikumsmagnet, der stark zur Aufwertung des Viertels beigetragen hat. Es ist kein Wunder, dass im Umfeld des Gasteigs mehrere größere Hotels angesiedelt sind. Direkt neben dem Gasteig befindet sich das Hilton, ebenfalls mit einer Fassade aus Ziegeln. Auf der südlichen Seite der Rosenheimer Straße liegt das Ibis und ein neues Motel One.
Auch entlang der Rosenheimer Straße (Bild links am Rosenheimer Platz) und der Orleanstraße geht es keinesfalls ruhig zu: Die Bewohner sind einer massiven Verkehrsbelastung ausgesetzt. Wenig idyllisch ist es auch an dem 1985 erbauten Ostbahnhofs an Stelle von Bürckleins im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bahnhof. Pläne, den Platz durch eine Verkehrsberuhigung aufzuwerten verschwanden in den Schubladen der Stadtreferate. Größere Neubauten sind im Franzosenviertel nicht geplant. Zuletzt wurde das Motel One und die Mahag-Zentrale in der Rablstraße sowie die Berufsschule am Simon-Knoll-Platz erbaut. Alles Bauten am Rande des Franzosenviertel. Auch das größte Stadtentwicklungsprojekt der kommenden Jahre – Rund um den Ostbahnhof (ROST) – liegt an der Grenze des Viertels. Den städtebaulichen Ideenwettbewerb hatten die Münchner 03 Architekten bereits 2005 mit ihrem Entwurf gewonnen, der die Freiraumbezüge Haidhausens vom Bordeauxplatz über den Orleansplatz über die Bahnachse hin zum Westen des Stadtbezirks Berg am Laim fortsetzt. „Das neue Quartier wird so vom Isartor in der Innenstadt kommend bis in den Landschaftsraum des Münchner Ostens in den Stadtraum eingewoben“, so die Architekten.
Das Viertel in Zahlen
Haidhausen-Süd ist ein Teil des Stadtbezirks Au-Haidhausen. Im Norden grenzt es entlang der Preysingstraße und der Wörthstraße an das Schwesterviertel Haidhausen-Nord, im Südosten, getrennt durch die Gleisanlagen, an den Stadtbezirk Berg am Laim und im Südwesten – getrennt durch die Balanstraße und die Rablstraße an die Obere Aubeziehungsweise (getrennt von der Hochstraße) an die Untere Au.
Einwohner: Die Bewohner des Viertels sind relativ zur Stadtbevölkerung jung. Der Anteil der Single-Haushalte ist hoch, der Ausländeranteil etwas höher als der Stadtdurchschnitt. Haidhausen-Süd ist eines der Viertel mit der höchsten Einwohnerdichte Münchens.
Infrastruktur: Am Ostbahnhof (Bild links) und der Haltestelle Wiener Platz gibt es zwei wichtige Verkehrsanbindungen an den ÖPNV.
Gute Einkaufs- und Ausgehmöglichkeiten finden sich vor allem entlang der Weißenburger Straße zwischen Rosenheimer Platz, Pariser Platz und Orleansplatz.
Im Kulturzentrum Gasteig sind auf einer Nutzfläche von 23.100 Quadratmeter der Konzertsaal der Münchner Philharmoniker mit 2400 Plätzen, ein Mehrzwecksaal für 580 Personen, das Richard-Strauß-Konservatorium, die Stadtbibliothek, das Kulturreferat, die Volkshochschule sowie Restaurant, Cafeteria, Läden und Tiefgaragen untergebracht. Das Deutsche Museum befindet sich zwar nicht mehr in Haidhausen, grenzt aber direkt daran an.
Grünanlagen finden sich entlang dem Bordeauxplatz, am Weißenburger Platz und dem Pariser Platz (siehe Bilder der Plätze oben). Im Westen grenzt das Viertel an die Isarauen.
Immobilien: In dem klassischen Gründerzeitviertel gibt es de facto kaum Neubauten, einige Bestandsbauten und viele Altbauten. Dort beginnen die Preise ab etwa 4400 Euro pro Quadratmeter und die Mieten bei neuen Mietverträgen bei 14,70 Euro pro Quadratmeter und Monat.
Im Mietspiegel der Landeshauptstadt München wird Haidhausen-Süd überwiegend als "gute Wohnlage" eingestuft. Konkret gilt als "gute Wohnlage" das Franzosenviertel zwischen der Linie Kellerstraße, Steinstraße, Rosenheimer Platz und Balanstraße im Westen und Orleansstraße im Südosten des Viertels – bis in den gesamten Nordlichen Bereich. Ausnahme: die direkte Zeile entlang der stark befahrenen Rosenheimer Straße und Orleansstraße. Die sonstige Wohnbebauung gilt als "durchschnittliche Wohnlage.