Gutachter: Preissprung bei Baugrundstücken

Soeben hat der Gutachterausschuss neue Bodenrichtwerte festgelegt, was alle zwei Jahre der Fall ist. Sie werden von den Finanzämtern zur Besteuerung und von Banken zur Bewertung herangezogen. Immobilienreport sprach darüber mit Helmut Thiele, dem Vorsitzenden des Münchner Gutachterausschusses.

Immobilienreport: Herr Thiele, haben sich die aktuellen Bodenrichtwerte sehr gegenüber den vorhergegangenen Werten geändert?

Helmut Thiele: Ja, wir haben zum Teil extrem die Bodenwerte nach oben anpassen müssen. So stiegen aufgrund hoher Kaufpreise in den ohnehin schon hoch preisigen Lagen die Werte zum Teil nochmals stark. Dazu zählen Bereiche in den bekannten Innenstadt und Innenstadtrandgebiete, Schwabing, Bogenhausen, Nymphenburg. Aber auch in der Isarvorstadt-Ludwigsvorstadt und in der Maxvorstadt.

Immobilienreport: Der Bodenrichtwert drückt den durchschnittlichen Preis für unbebaute Grundstücke aus. Wo ist Grund und Boden in München am teuersten?

Thiele: In der Neuhauser Straße und Kaufingerstraße sind die Bodenrichtwerte am höchsten. Und zwar nicht nur bezogen auf die Stadt München, sondern auch bundesweit. Bereits in der Bodenrichtwertkarte 2008 lagen dort die Höchstwerte bei 50.000 Euro pro Quadratmeter. Auf Grund des Marktdrucks mussten wir diesen Wert nun auf 60.000 Euro pro Quadratmeter anheben.

Immobilienreport: Was führt zu einer Aufwertung von Grundstücken?

Thiele: In diesem Fall waren es die anhaltend hohe Nachfrage, hochpreisige Verkäufe auch von bebauten Geschäftsgrundstücken und vor allem die gestiegenen Mieten der Einzelhandelsimmobilien. Eine wichtige Rolle kann aber auch die Stadtentwicklung spielen. So führte die Entwicklung des Wohngebietes am Ackermannbogen, die Bebauung nördlich des Schwabinger Krankenhauses sowie im Norden der Leopoldstraße zu einer spürbaren Aufwertung der angrenzenden Gebiete. Ähnliches geschah jetzt mit neuen Bebauungsplangebieten, deren Grundstücke in die Vermarktung kamen.

Immobilienreport: Wie genau und wie differenziert sind die Werte?

Thiele: Wir versuchen die Werte möglichst realistisch mit Hilfe tatsächlicher Kaufpreise und den Werten aus der Vergangenheit zu ermitteln. Dabei stellen wir die Überlegungen eines Investors an, welcher Kaufpreis noch rentabel ist. Die Zonen mit gleichen Bodenrichtwerten werden relativ differenziert erfasst. Zudem sollte die Bebauung einer Zone auch eine möglichst in sich ähnliche Geschossflächenzahl aufweisen.

Immobilienreport: Der Gutachterausschuss bietet für eine Bearbeitungsgebühr von 30 Euro die Auskunft einzelner Bodenrichtwerte an. Die gesamte Bodenrichtwertkarte kostet immerhin 550 Euro. Gibt es eine starke Nachfrage nach den Bodenrichtwerten und wer fragt diese Informationen ab?

Thiele: Allein im vergangenen Jahr hatten wir in unserer Geschäftsstelle rund 5000 Auskünfte erteilt. Die Bodenrichtwerte werden zum Teil aus beruflichen Gründen, aber auch von Privatpersonen abgefragt. Banken benutzen beispielsweise die Bodenrichtwerte zur Ermittlung des Beleihungswertes einer Immobilie. Wichtig sind die Werte auch für die Finanzämter. Die Bodenrichtwerte werden als Untergrenze der Bemessungsgrundlage für Immobilien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer herangezogen. Auch für Anlageentscheidungen der Investoren sind die Bodenrichtwerte von Bedeutung. Sie geben einen Anhaltspunkt für einen realistischen Preis in der jeweiligen Lage. Aber auch für Privatpersonen kann im Fall von Schenkungen oder Erbschaften mit dem Bodenrichtwert die Mindesthöhe der Erbschafts- oder Schenkungssteuer ermittelt werden.

Immobilienreport: Dann kann sich der Fiskus bei den gestiegenen Bodenrichtwerten ja über höhere Steuereinnahmen freuen?

Thiele: Ja, aber leider stehen die Erbschafts- und Schenkungsteuer nicht der Stadt München, sondern dem Bundesland Bayern zu. Die gestiegenen Bodenrichtwerte bergen aber auch sozialen Sprengstoff, da die höheren Steuern von den Erben nicht immer ohne weiteres bezahlt werden können. Insbesondere bei Erbengemeinschaften können sich aus den Teileigentumsverhältnisse auch Wertabschläge ergeben, die Finanzämter aber nicht berücksichtigen. In diesen Fällen, bei Erbschaft eines sog. Bruchteilseigentums, ist eine Beleihung der Immobilie für die Bezahlung der Erbschaftssteuer nicht möglich, Banken beleihen hier nicht.

Immobilienreport: Herr Thiele, Danke für das Gespräch.

 

 

 

Immobilienmarktbericht 2010:

Am 23. Mai stellte Helmut Thiele, Vorsitzender des Münchner Gutachterausschuss, zudem dem Immobilienmarktbericht 2010 vor. Danach erhöhten sich die Bodenpreise beim Geschosswohnungsbau 2010 gegenüber dem Jahr 2009  um 24 Prozent. Der Anstieg lag damit deutlich über der Preiserhöhung von Wohnbauland insgesamt mit zehn Prozent. Die Preise für Grundstücke individueller Bebauung erhöhte sich dagegen „nur“ um sechs Prozent. Im Durchschnitt liegt der Baulandpreis für ein Einfamilien-Grundstück in guter Lage bei 970 Euro pro Quadratmeter. Das teuerste Grundstück für ein Einfamilienhaus in Bogenhausen wurde vergangenes Jahr für rund 5200 Euro pro Quadratmeter verkauft. Am höchsten sind Grundstückspreise in der Altstadt und hier besonders in der Kaufingerstraße/Neuhauserstraße (Bild oben, Baustelle des Joseph-Pschorr-Hauses). Theoretisch ­– denn dort werden sie oft nicht als Grundstücke für Wohnnutzung angeboten, sondern dienen in der Regel nur für Gewerbezwecke mit Schwerpunkt Einzelhandel.

 

Umsatztreiber Wohnungsmarkt

Kommunalreferentin Gabriele Friderich (Bild links) betonte, dass Stadtrat und Stadtverwaltung auch nach Lösungen suchen, die eine Verknappung der Baugrundstücke und des Immobilienangebots entgegenwirke. So würde im Planungsreferat bereits seit längerem über eine Änderung der Bauverdichtung nachgedacht. Auch würden Überlegungen über den zusätzlichen Ausweis von Bauland angestellt. Zudem würde mit Münchens Nachbargemeinden Gespräche geführt, zu dem das Problem des knappen Wohnangebots im Grossraum München einen großen Stellenrang einnehme.

Friderich wies auch daraufhin, dass der Gutachterausschuss dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert und für Markttransparenz auf dem Münchner Immobilienmarkt sorge. Während bei der Gründung lediglich drei Gutachter für den gesamten Münchner Immobilienmarkt zuständig waren, sind es mittlerweile 30 Gutachter, die zum Teil festangestellt sind, größtenteils jedoch als Selbständige oder in ehrenamtlicher tätig sind. Im Gegensatz zu den meisten Veröffentlichungen zu den Preisen des Münchner Immobilienmarktes stammen die Daten des Gutachterausschuss nicht aus Angebotspreisen sondern auf der Basis tatsächlicher Kaufpreise die vom Gutachterausschuss in der so genannten Kaufpreissamlung zusammengeführt wurden.

2010 wurde auf dem Münchner Immobilienmarkt mit 7,6 Milliarden Euro 18 Prozent mehr Umsatz erreicht als im Jahr zuvor. 45 Prozent entfielen dabei auf den Eigentumswohnungsmarkt. Erstmals seit der Finanzkrise gab es auch für den Gewerbeimmobilienmarkt messbare Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung.

 

Wohnungspreise

Der Gutachterausschuss nannte auch die Durchschnittspreise 2010 von Familienhäusern und Wohnungen.

Bei den Neubau-Eigentumswohnungen erhöhte sich das Preisniveau um rund acht Prozent, für eine durchschnittliche Neubauwohnung wurde in München 325.000 Euro gezahlt. Bei einer Fläche von 80 Quadratmetern entspricht dies einem Preis von 4050 Euro pro Quadratmeter. Günstige Neubauwohnungen seien in München, so der Gutachterausschuss, allerdings auch noch ab 2800 Euro zu bekommen. Je nach Lage gibt es allerdings erhebliche Preisunterschiede. In besten Wohnlagen würden etwa 6500 Euro pro Quadratmeter gezahlt. In einigen Fällen lagen die Preise aber auch darüber. So kostete Münchens teuerste Neubau-Eigentumswohnung 20.000 bis 23.000 Euro pro Quadratmeter.

Deutlich günstiger lagen die Preise bestehender Wohnungen. Der durchschnittliche Wohnungspreis für eine 75 Quadratmeter große Wohnung lag im Wiederverkauf bei 220.000 Euro beziehungsweise pro Quadratmeter bei 2950 Euro. Die Preisspanne liegt dabei weitgehend im Bereich zwischen 2000 und 3800 Euro pro Quadratmeter. Allerdings gibt es auch hier Ausreißer: Für die teuerste Wohnung wurde 3,7 Millionen Euro gezahlt. Bei der Fläche von 270 Quadratmeter entspricht dies einem Quadratmeterpreis von 13.700 Euro.

 

Hauspreise

Bei den freistehenden Einfamilienhäusern lag die Preisspanne bei Neubauten in der Regel zwischen 500.000 Euro und 1,65 Millionen Euro, bei bestehenden Einfamilienhäusern (Wiederverkäufe) zwischen 400.000 Euro und 1,2 Millionen Euro. Es gab aber auch Ausreißer: So wurde für das teuerste Objekt, ein Altbauvilla in Bogenhausen rund neun Millionen Euro gezahlt.

Der durchschnittliche Neubaupreis für Doppelhaushälften lag bei 545.000 Euro, die Spanne der Wiederverkaufspreise reichte von etwa 350.000 bis 650.000 Euro.

Reihenhäuser waren mit durchschnittlich 485.000 Euro für ein Neubau-Reiheneckhaus, 425.000 für ein neuerbautes Reihenmittelhaus und einer Spanne der Wiederverkaufspreise von rund 300.000 bis 600.000 Euro (Reiheneckhäuser) beziehungsweise 300.000 bis 550.000 Euro (Reihenmittelhaus) etwas günstiger als die Doppelhaushälften.

 

Verträge und Umsätze

2010 gingen beim Gutachterausschuss etwa 16.700 beurkundete Verträge ein – 1280 mehr als im Vorjahr (siehe Entwicklung Grafik links, Quelle: Gutachterausschuss München) . Diese hohe Anzahl an Kaufverträge stellt auch einen langjährigen Rekord dar. Ganz offensichtlich setzten private und institutionelle Anleger im vergangenen Jahr verstärkt auf Münchner Immobilien.

Etwa 85 Prozent der Verträge betrafen Wohnungs- und Teieigentum, zehn Prozent bebaute (Häuser) und fünf Prozent unbebaute Grundstücke.

 

 

 

 

 

Beim Geldumsatz ergab sich jedoch ein anderes Bild, als nach der reinen Vertragsanzahl (siehe Chart links, Quelle: Gutachterausschuss München). Danach nahm vom Gesamtumsatz das Wohnungs- und Teileigentum nur noch einen Anteil von 45 Prozent ein. 43 Prozent machte der Anteil der bebauten und 12 Prozent der Anteil der unbebauten Grundstücke am Gesamtumsatz aus. Der Grund: weil die Preise der (Einfamilien-, Doppel- und Reihen-) Häuser  deutlich über der der Wohnungen lag, war ihr Anteil am Geldumsatz deutlich höher als ihr Anteil an der gesamtzahl der beurkundeten Kaufverträge.

 

Weitere Informationen:

Der Jahresbericht zum Münchner Immobilienmarkt kann gegen eine Schutzgebühr von 55 Euro vom Münchner Gutachterausschuss erworben werden. Der 67-seitige Bericht enthält nicht nur Marktdaten zu den Durchschnittspreisen und Zahlen zur langfristigen Preisentwicklung, Liegenschaftszinsen und Umrechnungsfaktoren für Baulandwerte von Wohn- und Gewerbeimmobilien, sondern auch Angaben nach den einzelnen Gemarkungen.

Die aktuellen Bodenrichtwerte zum Stadtgebiet München können ab 30.05.2011  in der Geschäftsstelle des Gutachterausschuss in der Implerstraße 9 (5. Obergeschoss) öffentlich eingesehen werden. Die Öffnungszeit zur Einsicht ist Montag bis Freitag von 8.00 bis 15.00 Uhr.

 

Weitere Informationen erhalten Sie über den Internetauftritt des Gutachterauschuss.