
Moderne Gotik für Frischobst
Der Münchner Großmarkt feiert seinen 100. Geburtstag. Revolutionär war damals die Eisenbeton-Hallenkonstruktion. Entworfen hatte sie ein erst 35-jähriger Architekt, der später vor allem als Krankenhaus-Erbauer bekannt wurde: Richard Schachner.
Als die am Viktualienmarkt 1851 errichtete Schrannenhalle nicht mehr zeitgemäß war, beschloss Stadtrat den Bau einer neuen Großmarktanlage. Wegen der günstigen Lage an der Gürtelbahn entschied man sich für das Gebiet am Sendlinger Unterfeld, der Architekt sollte der erst 35-jährige Richard Schachner aus Straubing sein.
Als die am Viktualienmarkt 1851 errichtete Schrannenhalle nicht mehr zeitgemäß war, beschloss Münchens Stadtrat um 1900 den Bau einer neuen Großmarktanlage. Wegen der günstigen Lage an der Gürtelbahn entschied man sich für das Gebiet am Sendlinger Unterfeld. Als Architekt für die modernen Hallen wählte man den erst 35-jährigen Richard Schachner aus Straubing. Schachner hatte bereits Erfahrungen in Bamberg und in Freising gesammelt und war auch an der Planung des Schwabinger Krankenhaus entscheidend beteiligt. Der Krankenhausbau – nicht nur in München – sollte auch später der Schwerpunkt seines Schaffens werden. Neu war jedoch die riesige Konstruktion von Hallen. Auch hier hatte Schachner bereits durch die Hallen des neuen Ausstellungsparks auf der Theresienhöhe Erfahrung sammeln können.
Für die Großmarkthalle errichtete der Architekt zwischen 1908 und 1909 zunächst eine direkt an den Gleisen gelegene Obstzollhalle. Sein Opus Magnus ist aber die zwei Jahre später errichtete Großmarkthalle. Für die Verkehrserschließung konstruierte er ein Untergeschoss, auf dem er dann die eigentliche Halle erstellte. Dabei bediente er sich einer Eisenbeton-Hallenkonstruktion mit einzelnen Eisenbetonbinder-Konstruktionen. Der Komplex bestand ursprünglich aus vier parallelen, fast hundert Meter langen und nur 17 Meter breiten Einzelhallen, die mit Ausnahme der Halle 1 aber leider im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Die erhaltene Halle gibt im Querschnitt eine Vorstellung von der Gestaltungsidee der ehemaligen Gesamtanlage: Die spitzbogigen Giebelseiten schwingen sich elegant bis in die Höhe von 20 Meter über den Boden. Eine Fensterfront über die gesamte Hallenhöhe und Oberlichtbänder an den Längsseiten sorgen für eine gute Belichtung der Innenräume. „Ohne jedes historisches Formenvokabular zählt die Großmarkthalle zu den wenigen Beispielen moderner Architektur vor dem Ersten Weltkrieg in München“, so der von Winfried Nerdinger herausgegebene Architekturführer München.
Auch der südlich der Halle anschließende sehr lang gestreckte zweigeschossige Verwaltungsbau bedient sich der für die damalige Zeit sehr klare Formensprache, die aber durch flankierende Polygonrisaliten und einen Turmerker aufgeloclert wird. Mit dem anschließenden Postdienstgebäude und der Gaststätte hat sich Schachner dagegen einer historisierenden Bauweise bedient, die „mit ihrer Kleinmaßstäblichkeit und ihrer malerischen Erscheinungsweise einen gewollten Gegensatz“ (Dennis Chevalley und Timm Weski) zur großförmigen Sachlichkeit der Hallen bildet.
Zur Hallengotik der Moderne für den Großhandel gesellt sich der moderne Barockbau, wo es Kalbsbrustbraten mit Frischsalat gibt.
Direktorenvilla
(1909)
Die ehemalige Zentrale des Abfallwirtschaftsbetriebs befindet sich in Untergiesing in der Sachsenstraße. Hier steht auch die alte, von Richard Schachner 1909 erbaute Direktorenvilla. Sie steht unter Denkmalschutz und wird heute als Büro und Archiv genutzt. Ebenfalls auf dem Gelände befindet sich das Gebrauchtwarenkaufhaus Halle 2.
Bauten im Schlachthofareal
Der von Arnold Zenetti geplante und erbaute Schlachthof nördlich der Großmarkthalle erfuhr im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts einen beträchtlichen Aufschwung und sorgte für einen wahren Boom des neu entstehenden Schlachthofviertels. Richard Schachner war zusammen mit Adolf Schwiening an der Planung der Erweiterung der anlage durch zwei Gebäude beteiligt: Des Brause- und Wannenbades sowie der Viehmarktbank. Die Originalausstattung im Inneren ist weitgehend erhalten, das Brause- und Wannenbad wurden aufgelassen. Heute dient das Gebäude als „Jugendtreff Tröpferlbad“.
Brause- und Wannenbad (1912 bis 1913)
Das Gebäude verband eine Schweineschlachthalle und ein städtisches Brause- und Wannebad für die Schlachthofarbeiter und die Anwohner. Der neuklassizistische Klinkerbau zeichnet sich an der Hauptfront in der Thalkirchner Straße 104 durch Seitenrisaliten, dem Eingangsvorbau und einem Dachreiter aus.
Viehmarktbank (1913 bis 1914)
Schachner entwarf zusammen mit Adolf Schwiening gegenüber dem Schlachthof in der Zenettistraße die Viehmarktbank. Sie wurde von der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank gegründet und regelte den Zahlungsverkehr des damals wirtschaftlich bedeutenden Viehmarktgeschäft. Im 2. Obergeschoss wurde die Metzgerfachschule untergebracht. Das Gebäude wurde wie die anderen Häuser des Schlachthofs in Sichtziegel errichtet. Trotz seiner barockisierender Form hat es einen sachlichten Stil. Interessant ist der Haupteingang mit einer darüber errichteten Skulptur: Sie stellt den an einen Stier anlehnenden Merkur dar, der den Viehhandel symbolisiert. Die Eingangshalle weist noch die ursprüngliche Ausstattung mit Felderdecke, Kachelung und imposantem Treppengeländer auf.
Schwabinger Krankenhaus
(1904 bis 1916 und 1926 bis 1928)
Berühmtheit erlangte Schaner jedoch durch seine theoretischen Abhandlungen und Entwürfe für Krankenhausbauten. Im Norden Schwabings, heute im Stadtviertel Luitpoldpark des Stadtbezirks Schwabing-West, begann er bereits 1904 mit dem Bau des Krankenhauses, dass sich über mehrere Jahre und Baustufen erstreckte und zu einem großen Gebäudekomplex führte. An einen repräsentativen Frontbau schließt sich die Kapelle an (Bild rechts).
Es folgen weitere Trakte mit Schwesternhaus an. In der Mittelachse nach Norden ordnete Schachner die Stationsbauten mit Operationssaal, Zentralbad und einem Küchentrakt an. Alle Einzelbauten sind durch ober- und unterirdische Gänge miteinander verbunden.
Die Gebäude für die technischen Anlagen (Bild links unten) liegen am Rande dieser streng symetrisch angeordneten Anlage. Zwischen den Gebäudezeilen befinden sich begrünte Innenhöfe und von Baumalleen (Bild links) begrenzte Wege.
Am 18. Januar 1909 nahm das damalige Städtisches Krankenhaus München Schwabing mit Haupthaus, Kochgebäude und katholischer Hauskirche Heilig Kreuz mit 157 Betten seinen Betrieb auf. Die restlichen Gebäude wurden in den folgenden vier Jahren im sogenannten Pavillonstil errichtet.
1915 wurden in den Einrichtungen Kinderabteilungen eingerichtet. Das in den ursprünglichen Plänen vorgesehene Kinderkrankenhaus wurde 1928 eröffnet.
Werke (Auswahl)
1907: Villa Schachner, Lachnerstraße 27, Neuhausen, München
1909: Verwaltungsgebäude Abfallwirtschaftsbetrieb, Sachsenstraße 31, Untergiesing, München
1909: Direktorenhaus Abfallwirtschaftsbetrieb, Sachsenstraße 6, Untergiesing, München
1912: Großmarkthalle, Sendlinger Feld, München
1912: Feuerhaus (mit Adolf Schwiening), Schulstraße, München
1913: Schweineschlachthalle des Schlachthofes und ehem. Städtisches Brause- und Wannenbad (mit Adolf Schwiening), Thalkirchner Straße 96 – 100, Schlachthofviertel, München
1914: Viehmarktbank (mit Adolf Schwiening), Zenettistraße Schlachthofviertel, München
1916: Schwabinger Krankenhaus, Schwabing-West, München
1916: Frauenklinik in der Maistraße, Klinikviertel der Isarvorstadt, München
1929: Dermatologische Klinik, Thalkirchner Straße, Am alten südlichen Friedhof, München
1929: Krankenhaus, Passau
1930: Neubau des Krankenhauses der Elisabethinen, Straubing
Quellen: Denkmäler in Bayern
Bildnachweis: Fotos und Rechte daran Ulrich Lohrer