Wegbereiter der Moderne

Seine Arbeit als Architekt begann er in der Baugruppe für den historistischen Deutschen Reichstag in Berlin. Eines seiner letzten Gebäude, das ledigenheim in München, gilt dagegen als moderner Klassiker. Die Namen von Theodor Fischer Schüler lesen sich wie das "Who is who" der modernen Architektugeschichte.

 

 

Theodor Fischer wurde am 28.Mai 1862 in Schweinfurt geboren. Er studiert   1880 bis 1885  in München an der Technischen Hochschule Architektur. Einer seiner Lehrer ist der Hauptvertreter des Historismus in München, Friedrich von Thiersch. Fischer wendet sich aber später vom Historismus ab..

Danach arbeitet Fischer zunächst (1886–1889) im Baubüro des Reichstags für Paul Wallot in Berlin (Bild links: Fischer in Wallots Büro vor dem Modell des Reichstags) und lernte dort den etwa gleichalten Hermann Muthesius kennen. Nach einer Bürogemeinschaft mit dem Dresdner Architekten Richard Reuter 1889–1892 arbeitete er mit Gabriel von Seidl in München. Als auf Vorschlag des Bauunternehmers Jakob Heilmann 1893 das Münchner Stadterweiterungsreferat geschaffen wurde, wurde Fischer zum Vorstand ernannt. In dieser Position stellte er einen Generalbebauungsplan für München auf, der bis zum Zweiten Weltkrieg verbindlich galt und die Staffelbauordnung, die bis Anfang der 1990er Jahre akzeptiert wurde. Zudem entwarf er während dieser Zeit zahlreiche Einzelbauten mit Schwerpunkt in München wie Wohnhäuser, Kirchen, Schulen und Brücken, die sich durch einen eigenen Baustil zwischen Historismus und Jugendstil auszeichneten und die er entsprechend seiner Tätigkeit als Stadtplaner in ein Gesamtkonzept einordnete.

1901 folgte er dem Ruf an  die  Technische Hochschule Stuttgart als Professor für Bauentwürfe einschließlich Städteanlage. Vertreter der „Stuttgarter Schule“, wie Paul Bonatz, der ab 1902 als Assistent bei Theodor Fischer arbeitete,  aber auch Paul Schmitthenner und Heinz Wetzel betrachteten ihn als ihren „geistigen Vater“. Fischer erstellte über ganz Württemberg verteilt vor allem öffentliche Bauten wie vor allem Schulen und Kirchen, aber auch Wohnhäuser. In dieser Zeit entstanden die Entwürfe einiger wichtiger Hauptwerke Fischers, wie die Paulskirche in Ulm sowie das Gustav-Siegle-Haus und das Kunstgebäude in Stuttgart. Als 1907 auf Anregung von Hermann Muthesius der Werkbund gegründet wurde, war er unter anderem mit Peter Behrens, Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich, Bruno Paul, Richard Riemerschmid und Fritz Schumacher einer der zwölf Gründer und von 1907 bis 1909 deren Vorsitzender.

1908 erhielt Fischer einen Ruf als Professor für Baukunst an die Technische Hochschule München und nahm dort 1909 die Lehrtätigkeit auf. In diesem Jahr, als er in Jena das Universitätsgebäude fertig stellte, verlieh ihm die dortige Universität die auch Ehrendoktorwürde. In München, aber auch in Hellerau bei Dresden und in Schweinsfurt widmete er sich verstärkt dem Wohnungsbau, entwarf aber auch öffentliche Bauten wie das Polizeipräsidium in München und Kirchen. 1919 wurde er zum Mitglied der Berliner Akademie der Bildenden Künste ernannt. Mit seinen Bauten und Stadtplanung ist er ein wichtiger Wegbereiter zur Moderne. So erstellte er beispielsweise mit den Arbeiterwohnungen in der Siedlung Alte Heide erstmals Geschosswohnungsbauten in Zeilenbebauung, die sich konsequent durch gute Besonnung und Belüftung auszeichnen. Sein 1927 entstandenes Ledigenheim ist neben den Werken aus Robert Vorhoelzers Postbauschule und den Bauten von Otho Orlando Kurz der wenigen Werke im modernen Stil der Neuen Sachlichkeit in München. Zu Fischers Schülern gehören neben den Vertetern der Stuttgarter Schule zahlreiche namhafte Architekten wie Richard Riemerschmid, Dominikus Böhm, Hugo Häring,  Ferdinand Kramer,  Ernst May, Erich Mendelsohn, J. J. P. Oud, Bruno Taut sowie Lois Welzenbacher und Martin Elsaesser. Aber auch die Väter der Moderne, wie Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe kannten und schätzten die Arbeiten Fischers.

1928 wurde Fischer emeritriert. Er starb 1938 in München. 

 

 

Erlöserkirche an der Münchner Freiheit (1899-1901)

 

Im Auftrag des Kirchenvereins entwarf Theodor Fischer die Evangelisch-Lutherische Pfarrkirche in Schwabing (Stadtbezirk Schwabing-Freimann). Bei dem Entwurf seines ersten größeren eigenen Gebäude orientierte er sich an St. Anna im Lehel, das Gabriel von Seidl kurz zuvor im neoromanischen Stil erbaut hatte. Die Bausumme für die Erlöserkirche belief sich auf rund 200.000 Mark.

Der Kirche kommt an der Stelle der Gabelung zweier Ausfallstraßen – der Leopoldstraße und der Ungererstraße – eine städtebauliche Bedeutung zu: Vom Siegestor steht die Kirche als  Blickfang und dient am Platz der Münchner Freiheit als Akzent. In ihrer Erscheinung erinnert die Kirche jedoch weniger ihrem Vorbild St. Anna, sondern den süddeutschen Doefkirchen.

Nach leichten Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche 1945 wieder instand gesetzt und 1947 renoviert. Die letzte Generalsanierung erfolgte 1976 weitestgehend unter Erhalt der Konzeption Theodor Fischers.

 

Münchner Marionettentheater, Blumenstraße (1900)

 

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Josef Leonhard Schmid (1822–1912), kurz „Papa Schmid“ genannt, ein Puppentheater für pädagogische Zwecke, gegründet. Nahe dem Sendlinger Tor in der heutigen Blumenstraße an der Altstadtgrenze im Angerviertel, ließ er ein  Marionettentheater nach Fischers  Plänen errichten, das 1900 eröffnet werden konnte.

Das schlichte Haus im Biedermeierstil kennzeichnet ein säulentragendes Giebelchen. Das Musentempelchen für Kinder gilt nicht nur als architektonisches Kuriosum, sondern als erster fester Theaterbau für Marionettentheater der Welt. Innen orientiert sich Bühne und Zuschauerraum nach seinen barocken Vorbildern.

 

 

 

 

Gustav- Siegle-Haus

(Philharmonie) in Stuttgart, (1905 -1912)

 

Die von der Witwe des vermögenden Stuttgarter Gustav Siegle gegründete Gustav-Siegle-Stiftung hatte zum Ziel, ohne Unterscheidung von religiösen und politischen Richtungen der Volksbildung zu dienen.

Um der Stiftung die nötigen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wurde das Gustav-Siegle-Haus ab 1910 von Fischer im romantischen Stil erbaut. Das im Zweiten Weltkrieg 1944 zerstörte Haus wurde 1953/1954 von dem Architekt Martin Elsaesser, einem Schüler Fischers, wieder aufgebaut und dient seither als Philharmonie.

 

 

 

Pauluskirche, Ulm

(1908-1910)

1905 gewann Fischer den Wettbewerbs für die Erbauung einer evangelischen Garnisonskirche in Ulm, mit 2000 Sitzplätze. Fischer errichtete die Kirche im Jugendstil nach dem Vorbild der von ihm erbauten Dorfkirche in Gaggstadt.  Als eine der ersten Kirchenbauteen in Deutschland wurde für das säulenlose und von Betonbindern gehaltene Gewölbe im Schiff Sichtbeton verwendet. 

Als evangelische Garnisonskirche nördlich des Alten Friedhofserbaut, ist sie heute die Kirche der Ulmer Paulusgemeinde. Im Westen ist dem Schiff ein zylinderförmiger Gebäudeteil teilweise vorgelagert, der auch die Orgelempore enthält. 

 

Kunstgebäude, Schlossplatz in Stuttgart, (1912–1913)  

Als Ausstellungs- und Versammlungsgebäude für den Württembergischen Kunstverein wurde noch nach den Weggang von Theodor Fischer aus Stuttgart nach seinen Plänen das Kunstgebäude erbaut. Es befindet sich in zentraler städtischer Lage am Schlossplatz und wurde in Anlehnung des bis  durch einen Brand im Jahr 1902 zerstörten dort befindlichen Lusthauses auf: Dem Kuppelbau sind wie in dem ehemaligen Renaissancebau mit Tonnengewölbe  hohe Arkaden vorgelagert. Die Kuppel des Kunstgebäudes wird von einem goldenen Hirsch des Bildhauers Ludwig Habich bekrönt. Am 18. März 1920 mußte die Nationalversammlung in Weimar aufgrund des Kapp-Putsches in das Kunstgebäude in Stutgart ausweichen. Das im Zweiten Weltkrieg bis auf den Kuppelbau zerstörte Gebäude wurde zwischen 1956 bis 1961 nach Plänen von Fischers ehemaligen Assistenten, Paul Bonatz, sowie von Günter Wilhelm wieder aufgebaut.  Der Neubau wurde durch den so genannten Vierecksaal ergänzt. Bis zum 1. März dienten die um die Kuppel laufenden Räume als Dauerausstellung für die Städtische Galerie. Danach sind deren Gemälde und Plastiken im gegenüberliegenden neuen Kunstmuseum Stuttgart ausgestellt. Das Kunstgebäude dient aber weiterhin als Ausstellungsort für Projekte des Württembergischen Kunstvereins. Der große Kuppelsaal wird auch für Veranstaltungen und große Sonderausstellungen genutzt.

 

 

Wohnbauten im Laim, München

Stadtlohnerstraße 1-10,  (1910)

Für die Terraingesellschaft „Neu Westend“ erbaute Fischer zu beiden Seiten der Stadtlohnerstraße Reihenhäuser. Die Gebäude wurden im Heimatstil gestaltet und vermitteln aufgrund ihrer Unregelmäßigkeiten ein malerisches Aussehen. So variieren die Häuser mittels Erker, Gauben und Zwerchhäuser  und ihren Vorgärten. Auch bezüglich ihren Nutzer und Ausgestaltungg weisen die Bauten eine Spannweite auf: Sie wurden sowohl für Mieter wie auch für Eigentümer errichtet. Währen die größeren Eckhäuser eher bescheiden im Zuschnitt und Ausstattung gestaltet wurden – sie weisen wie damals üblich über keine Bäder auf – haben die Reihenmittelhäuser als Eigenheime ein größeres Raumangebot.

 

 

Lechfeldstraße (1911)

Ebenfalls in Laim, etwas südlicher von Fischers anderem Wohnareal, dem der Stadtlohnerstraße, entstand diese Kleinwohnhauskolonie. Auch hier legte Fischer auf eine malerische Gestaltung Wert und erstellte eine für die Stadt unübliche eingeschossige Wohnanlage mit Gärten in einem dörflichen Charakter. Einen Schwerpunkt aus der fast nur aus Rehenhauszeilen bestehende Anlage bildet ein Torbau, der den Versorgungstrakt der kleinen Siedlung enthielt. So waren dort Läden untergebracht und eine noch heute bestehende Gaststätte.  

 

 

 

 

Museum in Wiesbaden (1912–1915)

Durch rege Sammeltätigkeit und Neuerwerbungen wurde das Gebäude der Kunstsammlungen in Wiesbaden schon Mitte des 19. Jahrhunderts zu klein. Der Ruf nach einem Neubau wurde immer lauter. Nachdem die drei Museen Wiesbadens 1866 unter preußische Kontrolle gerieten, übernahm 1899 die Stadt diese Einrichtungen. Begünstigt wurde die durch die hohen finanziellen Mittel, über die die Stadt Wiesbaden am Ende des 19. Jahrhunderts verfügte.

Nach einem Wettbewerb wurde nach den Plänen Theodor Fischer ab 1913 mit einem Neubau mit drei Flügeln begonnen werden werden. Zuvor hatte dort die Bankiersvilla Mons gestanden, in der bis 1906 das Empfangsgebäude des Ludwigsbahnhofs untergebracht war. Die Innenarchitektur der drei Häuser wurde maßgeblich von den drei Direktoren und den Kustoden beeinflusst, da doch unterschiedliche Bedürfnisse bestanden. Als Zweispartenhaus enthält es eine Kunstwissenschaftliche und eine Naturwissenschaftliche Sammlung.

 

 

Siedlung Alte Haide, München (1919–1930)

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in München zur „roten Revolution, die zwar von den „Weißen“ Freikorps blutig niedergeschlagen wurde. Trotzdem wurde auch danach erstmals ein umfassendes Projekt zum Bau einer Arbeitersiedlung durchgeführt. Theodors Fischers bauliche Umsetzung des gemeinnützigen Siedlungsbaus der „Alten Heide“ zwischen Eichinger-, Fröttmaninger- und Garchinger Straße im heutigen Stadtbezirk Schwabing-Freimann war auch städteplanerisch revolutionär. Um die Wohnungen durchgehend an zwei Fensterfronten unterzubringen und damit für eine gute Belüftung zu sorgen, entwarf Fischer die Gebäude als Zeilenbauten: Die Anlage besteht aus 16 in Nord-Süd-Richtung angeordneten und aus drei Ost-West orientierten Gebäuden. Trotzdem gestaltete er das Quartier mit abwechslungsreichen Räumen , in dem er in den Blöcken Kindergärten und Läden verteilte und zwischen den Wohnblöclen öffentliche Freiflächen sowie private Gärten unterbrachte.

 

 

Waldkirche in Planegg (1925–1926)

 

Nachdem die ehemaligen Hofmarksherren von Planegg, die Freiherren von Planegg den Baugrund für eine evangelische Kirche bereitgestellt hatten, und Theodor Fischer für die Planung gewonnen werden konnte, wurde mit dem Bau Mitte der 1920er Jahre begonnen.

Die Waldkirche gilt als Fischers  wichtigstes Spätwerk. Er ließ sich vom Bibelspruch Christus ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde leiten und stellte den Altar in die Mitte des achteckigen Hauptbaus. An einer Seite schließt sich ein flacheres Gebäude mit Gemeinderaum an, die Sakristei folgt. Der Kirchturm erhebt sich aus der Sakristei und steht somit etwas abseits des Hauptbaus. Ähnlich einem Amphitheaters steigen die Sitzreihen stufenweise nach oben an. Der Kirchenraum kann von drei Seiten betreten werden, von dort führen jeweils sechs Stufen zum tiefer gelegenen Altar. Auf der Kanzelseite der Brüstung umrahmen  die vier vom Künstler Ernst Penzold geschaffene Evangelisten den gekreuzigten Jesus. 

 

 

Ledigenheim, München (1927)

Der Rohziegelbau wurde von Fischer im Stil der Neuen Sachlichkeit entworfen und befindet sich im Westend im Bezirk Schwanthalerhöhe. Zwei vierstöckige Gebäudetrakte, beide dreiflügelig in rechteckiger Hufeisenform angelegt, sind an ihren Mittelflügeln durch einen schmalen dritten, dreigeschossigen Gebäudeteil verbunden. Die Gesamtanlage hat den Grundriss in Form eines „H. Der an allen vier Seiten entstandene Hof ist in drei Fällen an der äußeren Seite durch einen erdgeschossigen Pavillon geschlossen. 

An der Bergmannstraße ist dieser Hof begrenzt.

Ein einstöckiger Portikus aus sechs Säulen bildet den Abschluss und den Haupteingang. Die Decke des Erdgeschosses ist an der Fassade ablesbar. Insgesamt ergibt sich zwar ein monumentaler Eindruck, jedoch ist der erhöhte Mitteltrakt - im Grundriss der Mittelstrich des „H“ - so weit von den Straßenfronten zurückgesetzt, dass er nur vom Haupteingang aus sichtbar wird. Die schlichte Sachlichkeit der Gebäude wird dadurch gemildert, dass die Pfeiler des Portikus an den Gebäudefassaden als Gestaltungselemente weitergeführt werden. Innerhalb des Gebäudes wird der Vorraum durch ein Oberlicht beleuchtet, dahinter führt eine Treppe zu den Wohnungen in den höheren Stockwerken. Das Gebäude ist denkmalgeschützt und bildet mit der wenige Jahre später in passendem Stil erbauten Auferstehungskirche eine Gruppe.

Das Gebäude mit insgesamt 510 Wohnungen dient noch heute als einfache Unterkunft für schlecht verdienende ledige Männer in München.

 

 

Literatur:

Dennis A. Chevalley, Timm Weski: Denkmäler in Bayern; Landeshauptstadt München, Südwest, Band 1-2

Heinrich Habel, Johannes Hallinger, Timm Weski: Denkmäler in Bayern; Landeshauptstadt München Mitte, Band 1-3

Hans Karlinger: Theodor Fischer. Ein deutscher Baumeister. München 1932

Winfried Nerdinger (Hrsg.) Theodor Fischer. Architekt und Städtebauer 1862-1938,Berlin 1988

Suzane von Seckendorff: Theodor Fischer in Laim. Auf den Spuren des „Zeus von Laim“, München, 2004