
Münchner Stadtplanung im Wandel der Zeit
Nach mehrjähriger Forschungsarbeit hat der Architekt und Stadtplaner Ferdinand Stracke ein Standartwerk zur Münchner Stadtentwicklung vorgelegt. Die Erschliessung einzelner Stadtgebiete wird spannend dargestellt und lässt sich in einem größeren Zusammenhang einordnen. Münchens Stadtentwicklung zeigt sehr unterschiedliche Phasen auf.
Einen starken Anstoß für das Wachtum der Stadt bewirkte der Abriss der mittelalterlichen Stadtmauern und die klassizistischen Bauvorhaben von König Ludwig I. Die »Alte Stadt« ist heute noch im Stadtgrundriss zu erkennen; der Verlauf der Stadtbefestigung, ein hoch verdichtetes Stadtgefüge mit Zeichen und Symbolen von politischer und religiöser Macht, Wirtschaft und Bürgertum.

In den acht Kapiteln werden mehr als 50 einzelne Wohnprojekte mit Schwarzplänen, Wohnungsgrundrissen und Bildern dokumentiert. So die Zeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, das vom Ende der idyllischen Residenzstadt und ihrer Gesellschaftsordnung sowie von der Stadterweiterung geprägt war. Der Stadtplaner Theodor Fischer entwickelte für die Anforderungen des Industriestandort und zur Neuordnung der Stadt den Staffelbauplan, der eine abnehmende Verdichtung vom Zentrum zu den Randgebieten vorsah.
Die Zeit der Weimarer Republik war dagegen von der neuen Mobilität durch das Auto und öffentliche Verkehrsmittel, der Wirtschaftskrise, aber auch vom kommunalen Wohnungsbau und vereinzelt von den Reformideen der Moderne Robert Vorhoelzers bestimmt.
Während des Nationalsozialismus beherrschte die Gigantomanie die Pläne der neuen Machthaber: neue Raumstrukturen, rigoroser, aber nicht vollendeter Versuch eines Stadt-Umbaus durch die NS-Planung kennzeichneten München von 1933 bis 1945.
Die Nachkriegszeit war dagegen bis spät in den 1950er-Jahren von Wohnungsnot und dem Druck geprägt, für einen extrem starken Bevölkerungszuwachs bei gleichzeitiger zerstörter Bausubstanz neuen Wohnraum zu schaffen. Der Wiederaufbau stand dabei im Spannungsfeld zwischen konservativen und modernen Leitbildern, wobei sich das wahrende Element bei weitem durchsetzte.
Einen neuen Schwung erhielt die Stadtplanung durch den Entwicklungsmotor Olympische Sommerspiele 1972. Dabei entstanden nicht nur damit direkt zusammenhängende Quartiere und Viertel, wie das Olympiadorf, sondern auch Hochhaussiedlungen wie Neuperlach, die das bisherige Maß der Entwicklungen sprengte. Zudem war die Gestaltung durch den Ausbau einer moderne Infrastruktur, geprägt durch neue innerstädtische Autotrassen, aber auch dem Beginn der Ausbau eines U-Bahn-Netzes geprägt. Die Expansionsphase wurde aber durch die wirtschaftliche Stagnation, ausgelöst durch Ölkrise und struktureller Arbeitslosigkeit während der 1970er- und 1980er-Jahre jäh gestoppt. Aktuell beherrscht ein stetiger Bevölkerungszuwachs die Diskussion der Stadtplaner. So etwa das Verhältnis Stadt und Region: Konkurrenten oder kooperierendes Zukunftsmodell, Grenzen der Verdichtung und Gentrifizierung der Kernstadt, Urban Landscape, Suche nach neuen Identitäten.
Zusätzlich zu der beschreibung der Entwicklung der Stadt in diesen acht Phasen enthält das Buch vier kurze Specials, die Abhandlungen zu den Themen Metropolregion, Einfamilienhäuser, 
Hochhäuser, Grün enthalten.
Von Interesse der Beteiligten der Münchner Immobilienbranche dürfte zudem der Epilog über die Zukunft des Wohnungsbaus sein, der eine Diskussion von Frau Professor Thalgott, Stadtbaurätin Elisabeth Merk und dem Wohnungsbauunternehmer Ottmann mit Ferdinand Stracke enthält.
Insgesamt ist ein wichtiges Standardwerk zur Münchner Stadtentwicklung von hohem inhaltlichen und ästhetischen Wert entstanden.
WohnOrt München: Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert; Ferdinand Stracke; Franz Schiermeier Verlag; 384 Seiten; 42,50 Euro