Thalkirchen: Floßlände, Malerwinkel und Penthouses

Thalkirchen war schon immer begeht. Als Lände der Flößer, Wahlfahrtsort und Ruhesitz der Künstler. Längst ist das ehemalige Ausflugsziel der Städter selbst ein Stadtviertel Münchens. Für das Idyll an der Isar werden nun hohe Preise gezahlt – sofern überhaupt Wohnraum angeboten wird.

 

Die Brüder Cosmas Damian Asam und Egid Quirin Asam waren noch keine 40 Jahre alt, da konnten sie bereits auf ein erfolgreiches Künstlerleben zurückblicken. Als zwei von neun Kindern eines Klostermalers aus Bendiktbeuren, zählte das Duo nach ihrer Ausbildung in Rom, zu den Stars des Spätbarocks. Als Bildhauer, Stuckateure, Maler und Architekten gestalteten die Univeralkünstler Kapellen, Kirchen und Klöster in Oberschwaben, Bayern, Tirol, Böhmen und der Schweiz. 1724 erwarb der ältere Bruder, Cosmas Damian, mit seinen Auftragsgeldern einen repräsentativen Landsitz in Thalkirchen, südlich von München. Lange konnte er die Idylle an der Isar allerdings nicht genießen – 15 Jahre später verstarb er, im Alter von 53 Jahren.

Das Asam-Schlössl (Bild links) wurde danach als Ausflugslokal genutzt und erhielt nach dem Bau der Isartalbahn sogar eine extra Haltestelle. Anfang der 1920er-Jahre setzte der Architekt Hans Grässel das stark heruntergekommene – nun sich im städtischen Besitz befindende – Gebäude wieder entstand. Auch die Asamschen Fassadenmalereien wurden rekonstruiiert. Danach wohnte hier der Landschaftsmaler Richard Pietzsch, bis das Schlösschen durch Bombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde. Josef Rank, Architekt und Mitinhaber des Bauunternehmen Rank, sicherte die Ruine notdürftig. Schließlich baute erneuerte Erwin Schleich, der Architekt des Wiederaufbaus (St. Peter, Preysing-Palais, Palais Montgelas/Bayerischer Hof), zwischen 1958 und 1959 das Schlösschen und nutzte es als eigenes Wohnhaus.

Seit 1993 ist hier wieder eine Gaststätte untergebracht. Es dient wieder als Ausflugsziel wird das Asam-Schlössl, doch statt einer Bahnhaltestelle, stehen nun Porsche und Mercedes vor dem Barockschlösschen.

Überhaupt herrscht in Thalkirchen das gehobene Bürgertum vor. Schräg gegenüber dem Asam-Schlössl errichteten 1899 der Bauunternehmen Jakob Heilmann und sein Schwiegersohn, der Architekt Max Littmann aus einem bestehenden Gebäude durch Erweiterung und Umbau eine neubarocke Villa mit Stuckdekor für Eleonore Freifrau von Riedheim. Das soeben renovierte und auf hochglanz gebrachte Gebäude vermittelt einen malerischen und luxuriösen Gesamteindruck.

Bis Anfang des 20. Jahrhundert waren es die Flößer, die hier das Holz von den Alpen herunterfuhren und nach München den Wohlstand brachten (siehe Blild links: die Floßlände). Das ehemalige Dorf Thalkirchen an der Fraunbergstraße hat seinen dörflichen Charakter hinsichtlich Struktur und räumlicher Situation weitgehend. Erwähnt ist der Name Thalkirchen zwar erst 1268, die Siedlung, die sich auf einer Hangterrasse auf halber Höhe zwischen Isar und dem oberhalb liegenden Sendling entwickelte, ist aber wesentlich älter. Die Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Maria am Fraunbergplatz beherrscht noch heute das Bild des Ortes unterhalb des Sendlinger Hanges. Die Kirche, dessen Erscheinungsbild im wesentlichen um 1400 erhielt, geht im Kern noch auf romanische Bausubstanz zurück. Sie wurde 1692 umgebaut und 1907-08 von Gabriel von Seidl im neubarocken Stil erweitertet. Der relativ knappe Straßenzug, leicht gekrümmt in ostwestlicher Richtung verlaufend, weist vor allem auf der Südseite Bebauung dörflichen Zuschnitts auf. Die Gasthöfe im Ostteil sind Hinweis auf die zu einem Wallfahrtsort gehörenden Wirtshäuser mit großen Gärten. Die jüngeren Wohnblöcke auf der Nordseite wahren den straßenräumlichen Zusammenhang.

Auch heute – 273 Jahre nach Cosmas Damian Asams Tod – gilt Thalkirchen als beliebtes Wohngebiet der Arrivierten. Das ehemalige Dorf weist eine Vielzahl kleiner Villen und eigenartiger Häuser wie die traditionsreiche Gaststätte Zentrallände ,  eine 1870 bis 1875 im Stil der Neorenaissance errichtete dreigeschossige Stadtvilla mit auffallenden polygonale Ecktürmen, das Schleusenwärterhaus in der Zentralländestraße, der langgestreckte Bau der Gaststätte Hinterbrühl oder ein dreigeschossiges Mietshaus an der Ecke Alfred-Schmid-Straße/Münchner Straße von Heilmann und Littmann.

Spätestens mit dem Bau der Isargärten Thalkirchen, einer Wohnanlage zwischen Isarkanal und Maria-Einsiedel-Straße, hat sich das nun zum Stadtbezirk 24 gehörende Thalkirchen zu teuren Flecken der bayerischen Landeshauptstadt hochkatapultiert. Die „Isargärten Thalkirchen“ auf dem ehemaligen Gelände des Isartalbahnhofs durch Vivico Real Estate – der heutigen CA Immo –, Concept Bau und Infraplan entwickelt, ist das Stadtviertel eines der gehobenen Quartiere der Landeshauptstadt München. Die drei Architektenbüros GKK+ Architekten aus Berlin, Hilmer & Sattler und Albrecht aus München sowie Baehr-Rödel aus Starnberg entwarfen die elf Wohngebäude. Die Bandbreite reicht von luxuriösen Penthouse-Wohnungen mit Sonnendeck über den Dächern Thalkirchens und der Isar (GKK+Architekten) bis zu den einkommensorientiert-geförderten Wohnungen im Bauhaus-Stil am neuen – von Terrabiota Landschaftsarchitekten entworfenen – Thalkirchner Platz zwischen Thalkirchner Brücke und dem Restaurant Mangostin. Aufgrund des Verkaufs dieser Luxus-Neubauwohnungen schnellte der Durchschnittsverkaufpreis auch von Bestandswohnungen in Thalkirchen von etwa 4100 Euro (Ende 2009) auf zeitweilig 5700 Euro pro Quadratmeter (2010) hoch.

Das Teilgrundstück mit den alten Lokschuppen wurde an die Alpha Invest Projekt (unter anderem plant diese das Wohnquartier um das Heizkraftwerk Müllerstraße) und an die IMBW Capital und Consulting verkauft.

Auch auf diesem Gelände sollen bald die Bagger anrollen. „In den Lok-Schuppen entstehen großzügige Loft-Büros für besonders kreative Unternehmen“, sagt Jörg Scheufele, der Chef von Alpha Invest. Die typische Ziegel-Bauweise der Schuppen im Stil der Industriearchitektur des späten 19. Jahrhunderts bleibt erhalten. In die Hallen werden aber Galerien eingezogen. Teilweise sollen die vier Hallen auch untereinander verbunden werden.

 

 

Das Viertel in Zahlen

 

Der in der Isarniederung westlich des Flusses gelegene Stadtteil gehört zu den ältesten Siedlungen im Süden der Stadt und hat durch seine Lage an der renaturierten Isar eine bedeutende Erholungs- und Freizeitfunktion für die gesamte Stadt. Talkirchen ist der östlichste der fünf Bezirksteile des 19. Stadtbezirks, der den langen Namen Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln trägt.

Auf der östlichen Isarseite über die Thalkirchner Brücke  befinden sich die Bezirksteile Siebenbrunn und Harlaching des östlichen Nachbarbezirk 18 Untergiesing-Harlaching.

Nördlich der Greinerbergstraße grenzt das Viertel Sendlinger Feld des Stadtbezirks Sendling an. Die S-Bahnlinie nach Holzkirchen bildet nach Westen die Grenze zu Obersendling und im Süden grenzt das Gleis der S-Bahnlinie Thalkirchen mit der Villenkolonie Prinz-Ludwigs-Höhe von dem Bezirksteil Solln ab. Im Süden grenzt Thalkirchen zudem an die Gemeinde Pullach im Isartal.

 

 

Einwohner:  Alterstruktur der Bevölkerung und die Größe der Haushalte entspricht in etwa dem Stadtdurchschnitt. Das Einkommen der Bewohner ist weitgehend gehoben.

 

Infrastruktur: Thalkirchen verfügt über eine eigene U-Bahn-Haltestelle (Linie U3). Am neu angelegten Thalkirchner Platz befindet sich ein großer Edeka-Laden. Durch den nahen Tierpark Hellabrunn und das Freibad Maria-Einsiedel (Bild links) sowie den Isarauen mit der Floßlände und dem Hinterbrühler Park besteht ein hoher Freizeitwert. So existiert ein großer Campingplatz, eine Golf-Anlage, verschiedene Kajak-Vereine sowie eine Vielzahl von Einkehrmöglichkeiten.

 

 

Im Norden des Viertels am Isarkanal befinden sich zwei Kliniken, die internistische Klinik Dr. Müller und die Klinik Dr. Rinecker, ein chirurgisches Fachzentrum mit den Abteilungen für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Herzchirurgie, Unfallchirurgie und Gefäßchirurgie sowie das Proton Therapy Center (Protonen-Bestrahlung von Tumoren zur Krebstherapie, siehe Bild links).

 

Immobilien: Nach Fertigstellung und Verkauf einiger Neubauprojekten – insbesondere den Isargärten – besteht kaum Angebot an Eigentumswohnungen. Weitgehend gehobenes Niveau.     

Thalkirchen ist laut Münchner Mietspiegel 2011 eine „gute Wohnlage“. Als „beste Wohnlage“ werden die „Isargärten zwischen Maria-Einsiedel-Straße und Maria-Einsiedel-Bach mit Ausnahme des neuen Gebäudes am Thalkirchner Platz eingruppiert. Auch das südlich von Thalkirchen gelegene, noch zum Bezirksteil Thalkirchen gehörende Villensiedlung Prinz-Ludwigs-Höhe, ist beste Wohnlage.  

Thalkirchen verfügt nicht nur über Villen und luxuriöse Wohnanlagen, sondern auch über einen gewachsenen Bestand an Mietshäusern. Bemerkenswert ist die 1927 von der „Wohnungs-GmbH Münchner Bauunternehmen“ nach Plänen der Architekten Architekten Oswald E. Bieber und Wilhelm Hollweck errichtete Mietshausanlage am Thalkirchner Platz – zwischen Schäftlarnstraße und Alfred-Schmid-Straße. In ihrer Kombination aus charakteristischer monotonen Bauweise der 1920er-Jahre in Verbindung mit dem Heimatstil, errinnert das Quartier an die Bauweise der Borstei, die ebenfalls in den 1920er-Jahre, aber in Moosach entstand.  Der Heimatstil kommt durch die malerische Gestaltung des Fensterformats, der Fenstersprossung, , der Bedachung mit ihrern Gauben und Kaminen zum Ausdruck. Im Inneren weist der Komplex bequem zugeschnittene Dreieinhalbzimmerwohnungen mit Bad, Küche und Loggien auf, wobei die Küchen mit Loggien zum Hof verbunden sind.

Ganz anders ist dagegen das Erscheinungsbild des in den 1970er-Jahren erbaute Wohn-Hochhaus am Isarkanal, die zwar äußerlich bei vielen auf Ablehnung stößt, aber in seiner Lage in einem grünen Park direkt am Wasser und durch die Aussicht den Bewohnern eine gute Wohnqualität bietet.