Professionelle Verspieltheit

Wer durch München streift, kann die bunten und oft verspielten Fassaden kaum übersehen: Das Architekturbüro Steidle und Partner hat in München seinen Stempel aufgedrückt und ist auch nach dem Tod des Gründers in vielen Wettbewerben präsent. Ein  Porträt des Büros.

Steidle und Partner wurde 1969 von Otto Steidle (1943-2004) gegründet. Seit 2005 leiten die ehemaligen Partner Johann Spengler, Hans Kohl (1952-2007), Johannes Ernst und Martin Klein die Steidle Architekten Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern. Steidle und das Architekturbüro, das seinen Namen trägt, hat viele Großprojekte in München realisiert – obwohl die Bauten des Büros bundesweit und in den vergangenen Jahrzehnt auch verstärkt in China zu finden sind. Zu den bedeutenden Werken in München gehören die Wohnanlage in Schwabing Anfang der siebziger Jahre, zusammen mit Uwe Kiessler das Verlagshaus von Gruner und Jahr in Hamburg, das Wohn- Büroquartier des Wacker-Komplexes an der Prinzregentenstraße und vor allem die Gestaltung der Theresienhöhe um den Bavariapark sowie einige Gebäude der Lenbach Gärten (siehe unten). 

 

Otto Steidle

Steidle studierte an der Akademie der Bildenden Künste (1965–1969) in München unter anderem bei Sep Ruf, der ihn nachhaltig prägte. Schon während des Studiums gründete er –  erst in den  Zwanzigern – das Büro Muhr und Steidle in München und nach dem Diplom das Büro Steidle + Partner, das 1981 ein zweites Büro in Berlin eröffnete.

Neben der praktischen Arbeit war war Steidle Professor für Entwerfen und Konstruktion an der Universität Gesamthochschule Kassel (1979–1980), an derTU Berlin (1980-1991) und an der Akademie der Bildende Künste in München (ab 1991). Steidle setzte seit den 1970er Jahren Markierungspunkte für den Wohnungsbau in Deutschland, baute aber auch 1000 Wohnungen inPeking. Er repräsentierte antiautoritäre Vorstellungen in der Architektur, berücksichtigte ökologische Aspekte und verwendete moderne Materialien. Sein oft zitierter Satz „Nicht das Haus bestimmt die Stadt, sondern die Stadt bestimmt das Haus“ verweist auf die Notwendigkeit, die Bedürfnisse der Menschen ernst zu nehmen. „Seine manchmal improvisiert wirkenden Fassaden, Räume und Details bringen seine Entwurfshaltung in Nachbarschaft zu Günther Behnisch.“ archinform

 

Wohnanlage Schwabing

Die sieben Terrassenhäuser an der Westseite des Englischen Gartens bezog frühzeitig die Bewohner in das Nutzungskonzept ein und lässt auch spätere Umgestaltungen zu.

Dazu konstruierten die Architekten – neben Otto Steidle und Partner auch Ralph und Doris Thut – ein Stahlbetongerüst, das nur die Größe festlegt. Dabei wurden vorgefertigte Elemente aus Hallen- und Kranbahmkonstruktionen im Wohnbereich verwendet. Für den Ausbau wurden dann Gipswände, Stahlprofile mit Glas und Aluminiumbleche eingesetzt.

 

„Der Planung lag die Überlegung zugrunde, die Veränderung der Familiensituation vom Privatbereich der Normalfamilie bis zum kollektiven Wohnen bewältigen zu können. Der Aufbau der Wohneinheiten resultiert aus den Anforderungen an Wohnformen, die es ermöglichen, Ansprüche der Bewohner während und insbesondere nach der Erstellung zu erfüllen.Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Gesamtanlage resultiert aus Verbindungen der vorhandenen öffentlichen Straßen und Fußwege sowie den internen Erschließungs,-Kommunikations-, und Spielbereichen innerhalb der Wohnanlage. Private Individualität einerseits, Öffentlichkeit und Kommunikation andererseits wurden als „urbane Elemente“ der Planung zugrunde gelegt.“ Steidle Architekten

 

 

Anlage der Wacker Pensionskasse

1992 gewann Steidle + Partner den Wettbewerb um den Neubau des Hauptverwaltungssitz der Wacker-Chemie an der Prinzregentenstraße.

 

 

 

 

 

 

Der Entwurf zeichnet sich durch eine sehr unterschiedliche Gestaltung einzelner Häuser des Baukomplexes aus, die allerdings in ihrer gläsernen Frontseite zur Prinzregentenstraße in Ihrer Differenzierung nicht sichtbar wird. Im Innenhof fallen die turmartigen, bis zu acht Stockwerken hohen Gebäude durch die kräftige Farbgebung und durch die Umbauung des offener Kanals des Mühlbachs auf.

 

„Die Prinzregentenstraße ist nicht ausschließlich eine münchnerische Straße. Sie hat auch Spuren der Boulevards anderer großer Städte. ... Wesentlich war, die unterschiedlichen Bereiche herauszustellen und zu thematisieren: das großstädtische Haus an der Prinzregentenstraße (Boulevard), die Haus-Abfolge an der Bruderstraße (Nebenstraße), das Eckhaus an der Unsöld-/ Bruderstraße (Quartiersecke) und der Gartenhof mit den einzelnen im Blockgefüge vorhandenen turmartigen Häusern.

 

 

Die unterschiedlichen Elemente des Gesamtentwurfs zielen auf die selbständige Charakteristik der einzelnen Teile ab, ohne das Ziel eines kompositorisch zusammenhängenden Komplexes aufzugeben. Das Thema `Einheit und Vielfalt´ ist als architektonisches und urbanistisches Thema an dieser Stelle geradezu eine Herausforderung.“    Steidle architekten

 

 

 

Gebäude an der Leopoldstraße

Turmartig schließt das Wohn- und Geschäftshaus mit Kinos an der Leopoldstraße in München Schwabing die `bürgerliche´ Straßenzeile ab und bildet neben dem groben (in Größe und in Architektur) Hertie-Nachbarn einen selbstbewußten Bau. Die Außenhaut ist eine gestanzte / durchlöcherte, aus schmalen hohen und kleinen quadratischen Fenstern bestehende Fläche. Das Haus nimmt Nachbargiebel und -first der südlich anschließenden Bebauung auf, bevor es seine eigene körperhafte Präsenz als abschließendes Haus übernimmt.

 

 

Drittes Sternhochhaus

1958 errichtete der Architekt Emil Freymuth für die neue Siemens-Siedlung in Obersendling zwei Wohnhochhäuser. Damals waren die mit ein Y-Grundriss entworfenen Gebäude die höchsten Häuser Münchens. 47 Jahre später wurde das Ensemble durch ein Drittes Sternhochhaus ergänzt, die noch von Otto Steidle geplant waren.

 

 

 

 

Theresienhöhe

Mit der Umzug der Messe von der Theresienhöhe nach Riem wurde ein großes innerstädtisches Areal für die Wohn- und Gewerbenutzung frei.

Steidle und Partner gewann zusammen mit den Landschaftsarchitekten Thomanek + Duquesnoy den Ideenwettbewerb des Stadtentwicklungsprojekts. Neben der Gesamtplanung zeichnete das Büro auch für einige markante Gebäude und Gebäudekomplexe verantwortlich.

„Die Theresienhöhe soll trotz unterschiedlicher Einzelprojekte und Architektursprachen ein homogenes Stadtquartier werden. Darüber hinaus zielt das urbane Konzept nicht auf Unterscheidung, sondern auf Verbindung von Wohnen und Arbeiten, also hier auch auf die Verbindung von Wohn- und Bürohäusern ab.


 

 

Dieses Prinzip bildet die Grundlage für den Entwurf des Hauses für die KPMG an die Ganghoferstraße.
Es ist so gegliedert, dass es über einen Eingangshof erschlossen wird, der als Zentrum erkennbar ist. Von dort aus führt eine Treppenanlage in alle Bereiche. Die Erschließung ist abgestimmt auf die Bedeutung und die Bedürfnisse einer großen zentralen Institution. Es lassen sich auch einzelne Teile diese Blocks von außen her erschließen, sodass man einzelne Bürohäuser oder auch Wohnhäuser für sich heraustrennen kann.
Die Fassaden erhalten viel Transparenz und viel Glas, bilden aber dennoch einen stabilen Baukörper. Ein mit Keramik verkleidetes Skelett, welches sich als Gefüge in der Perspektive schließt, ist orthogonal gesehen eher gläsern.
Die Fensterlaibungen sind unterschiedlich oder homogen farbig gestaltet und zeigen dadurch in den einzelnen Blickbeziehungen ein unterschiedliches Farbspiel.“ Steidle Architekten

 

 

Angerhof

Auf dem Grundstück eines ehemaligen Parkhauses wurde zwischen Jakobsplatz und dem Oberanger 2003 ein Wettbewerb für ein Gebäude ausgeschrieben, dass zum einen Büros für den Konzernsitz der Linde AG, Ladengeschäfte und eine Tiefgarage, zum anderen in den obersten Stockwerke Penthouses aufnehmen sollte. Steidle + Partner gewann mit einem Entwurf, der einen großstädtisch- homogenen, zu den unterschiedlichen Situationen und Straßen differenziert ausgebildeten Baublock vorsah. „Die äußere und innere Definition dieses Blockes ist einerseits lapidar, da der Block den gegebenen realen äußeren Begrenzungen einfach folgt, andererseits komplex, da dieser von den Einflussfaktoren des Kontexts, der Nachbarschaft und des Stadtquartiers modifiziert wird.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Steidle-Lofts

Auf dem Gelände der Technischen Universität entstand durch die Verlagerung der Chemischen Institute nach Garching zwischen 2005 und 2007 das Wohnquartier Lenbach-Gärten. Der Bauherr Frankonia Eurobau entwickelte ein Areal mit dem Fünf-Sterne Hotel The Charles an der Ecke Luisen- und Sophienstraße, sowie mehrere Wohnblöcke und ein Verlagsgebäude (Condé Nast). Das Hotel und die meisten Wohngebäude entwarf das Architekturbüro Hilmer & Sattler und Albrecht, das Verlagsgebäude und die Steidle-Lofts entlang der Meiserstraße Otto Steidle, beziehungsweise nach seinem Tode seine Partner. Die Steidle-Lofts und das Verlagsgebäude weichen vom üblichen orange, gelben, blauen Farbschema von Steidle und Partner ab, sondern sind in hellen Tönen, bzw. in weiß gehalten. Auch die Gebäude sind weniger verspielt, sondern eher im Stil der klassischen Moderne gehalten.

 

 

 

 

 

 

Laufende Projekte

Von der Planung abgeschlossene, aber zurzeit im Bau befindliche größere Projekte in München sind die Nymphenburger Höfe in der Maxvorstadt und der Montgelas Park in Bogenhausen. Auch am Ostbahnhof an der Rosenheimer Straße ist Steidle und Partner mit mehreren Projekten involiert, wie das neue Gebäude des Oldenbourg Verlags – der Baustart ist für Sommer 2011 anvisiert. Steidle und Partner hat dort bereits die spektakuläre Medienbrücke (Bild links) für die IVG geplant – der Bau ist bereits abgeschlossen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Baustelle der Nymphenburger Höfe

 

 

 

 

 

Oldenbourg Verlag (Animation)

 

 

 

 

 

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Architekturbüros unter www.steidle-architekten.de.