Pionier des Hochhausbaus

Wie hoch in München gebaut werden soll und darf, ist ein Dauerthema. Besonders emotional wird über Wohnhochhäuser gestritten. Dabei wurde die erste süddeutsche Wohnhochhaus-Siedlung in München erbaut. Die von Emil Freymuth geplante Siemens-Siedlung in Obersendling gilt als gelungenes, auf ihre Bewohner ausgerichtetes Ensemble und ist heute sogar denkmalgeschützt.

 

Es ist neben der Kongresshalle auf der Theresienhöhe auch das bekannteste Werk des Architekten. Emil Freymuth, 1890 in Köln geboren, studierte dort an der Baugewerkschule in Köln und anschließend an der Technischen Hochschule München Architektur. Danach arbeitete er im Architekturbüro von Carl Jäger mit. 1920 gründete er jedoch sein eigenes Büro. Während der Zeit von 1938 bis 1945 arbeitete er auch für das „Baubüro des Generalbaurats der Hauptstadt der Bewegung“. Nach der Entnazifizierung startete er nochmals eine zweite Karriere. Freymuth starb 1961 in München.

 

Wohnanlagen in Laim

In den 1920er-Jahren entwarf Emil Freymuth verschiedene Wohnanlagen für Wohnungsgenossenschaften in Laim. Nach dem Bauboom in den 1890er-Jahren und den Planungen durch Theodor Fischer brachte ein wirtschaftlicher Einbruch und der Zweiter Weltkrieg die größeren Bauvorhaben in Laim zum Stillstand. Doch in den 1920er-Jahren wurde das Gebiet und die großen Baulücken zunehmend durch die Aktivitäten der Wohnungsbaugenossenschaft geschlossen. Freymuth trug bei der Bebauung einen gestalterischen Anteil.

 

Agnes-Bernauer-Straße

Für den Verein für Wohnungskultur baute er zwischen 1922 und 1925 in der Agnes-Bernauer-Straße 148 Agricolastraße 24 eine im Geviert angeordnete Zeilen noch im sachlichen Heimatstil Geschosswohnungsbauten (Bild links).

 

Die Zeilen zeigen zwar die für die 1920er-Jahre charakteristische, gleichmäßige Fensterreihung, sie werden jedoch durch sparsam eingesetzte traditionelle Motive in ihrer Erscheinungsweise belebt: Die  Giebel erfahren jeweils variierte Gestaltungen, über dem Erdgeschoss ist ein Gurtsims durchzogen und die Fenster des ersten Obergeschosses werden durch gerade Verdachungen hervorgehoben.“ (Denis A. Chevalley, Timm Weski: Denkmäler in Bayern, Landeshauptstadt München, Band Südwest, Seite 35).

 

Nur wenige Jahre später – zwischen 1927 und 1930 sowie um 1935 – entstand für den gleichen Verein die Wohnanlage in der Agnes-Bernauer-Straße 152 bis 158. Diesmal entschied sich Freymuth statt eines Zeilenbaus für zwei symmetrisch angeordnete geschlossene Wohnblöcke. Das Gebäude wird durch ein herausragendes Straßentor an der Südseite mit darüber gespannten Loggien charakterisiert. Trotz relativer Schlichtheit der Fassadengestaltung entsteht der Eindruck einer Monumentalität des Baus.

 

Rappstraße

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weiter westlich, in der Rappstraße 12/14/16 und Perhamerstraße erbaute  Freymuth zuvor (1926 bis 1927) für den Bauverein Wohnungshilfe eine zweiflügelige Wohnanlage im reduzierten Heimatstil mit expressionistischen Anklängen. „Steilgiebel, übereck gestellte Erker, sparsame Backsteinornamentik und dekorativ betonte Fallrohre verleihen den einfachen Bauformen eine expressionistische Färbung.“ (Chevalley, Weski, Seite 526).

Pro Geschoss sind bei der Reihenbebauung jeweils zwei symetrisch angeordnete Wohnungen untergebracht, bei den Eckblöcken sind es jeweils drei.

In der Rappstraße grenzen auch die von Freymuth erbauten Wohnanlagen der Agnes-Bernauer-Straße an, die aber von dieser Seite nicht ihren architektonischen Reiz entfalten. 

 

 

 

 

 

Die Siemens-Siedlung in Obersendling (1952-1955)

Die Siemens-Siedlung an der Boschetsrieder Straße in München-Obersendling (zwischen Halske-, Leo-Graetz-, Schuckert- und Zielstattstraße) ließ Siemens für seine Mitarbeiter erbauen. Der Durchgangsverkehr wurde aus der Parkstadt ausgeschlossen. Eine Ladenzeile schirmt die Siedlung zur vierspurigen Boschetsrieder Straße ab. Auch die geschwungene Führung der Zufahrtstraßen verhindert – ähnlich wie in der etwa zeitgleich entstandenen Parkstadt Bogenhausen – innerhalb der Anlage einen rasenden Autoverkehr.

Die Siedlung umfasst 528 Wohnungen in 13 Gebäuden. Die Grundrisse der ein bis viereinhalb Zimmer großen Wohnungen sind zum wohnen fast überall nach Süden oder Westen und zum Schlafen nach Osten ausgerichtet. An gemeinsamen Einrichtungen gab es ursprünglich eine Fernheizzentrale, eine Wäscherei und ein Fernsprechselbstwählamt. Der Garagenhof mit in der Mitte liegenden Tennisplätzen wurde Anfang der 1990er-Jahre durch ein fünfgeschossiges Wohnhaus ersetzt.

Kennzeichen der Siedlung sind die zwei von Freymuth entworfenen 17-geschossigen Sternhochhäuser. Ihren Namen verdanken sie ihren sternförmigen Grundriss, der einem „Y“ gleicht. Die beiden 51 Meter hohen Gebäude waren zur Zeit ihrer Entstehung die höchsten Gebäude Münchens. Trotz ihrer Höhe wirken die zwei Sternhochhäuser von Freymuth nicht erdrückend, sondern eher grazil und in den Grünanlagen harmonisch angepasst. 

Vorbild dieser in der Siedlung integrierten Hochhäuser war die Heiligenfeld-Siedlung von Albert Heinrich Steiner in Zürich. Ursprünglich hatte Freymuth drei Hochhäuser geplant – der dritte Turm wurde jedoch nicht erbaut. Erst 2007 wurden die zwei bestehenden Sternhochhäuser durch ein drittes, von Otto Steidle + Partner entworfenes Wohnhochhaus ergänzt.

 

 

In dieser Zeit wurde die Siedlung von Siemens Immobilien auch umfangreich saniert und dem heutigen energetischen Standards angepasst. Die Planung übernahm die Münchener Innenarchitektin Susanne Moog, deren Büro Koch und Partner dafür den „Deutschen Bauherrenpreis“  für die Sanierung der „Botschetsrieder Siedlung“ bekam. Die Sanierung sei, so die Innenarchitektin, nicht einfach gewesen, weil unter anderem der Denkmalschutz viele Detailvorgaben gemacht habe. „Aber der Aufwand hat sich gelohnt und wird sich auch rechnen: Immerhin haben wir Energieeinsparungen von bis zu 40 Prozent erzielt", betonte Susanne Moog.

 

 

 

Die Kongresshalle auf der Theresienhöhe (1952-1953)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freymuth entwarf das Gebäude zusammen mit den Architekten E. Etzold und J. Strobl. Sie diente als Veranstaltungszentrum der Anfang der 1950er-Jahre unter der künstlerischen Leistung von Alexander von Branca und Eduard von der Lippe neugestalteten Messe München. Seit der Verlagerung der Messe vom Bezirk Schwanthalerhöhe in die Messestadt Riem befindet sich hier das Wohn- und Geschäftsquartier Theresienhöheder.  Zu Ihrer Zeit war es die größte Halle dieser Art. „Mit den Maßstäben der Zeit vor 20 bis 30 Jahren gemessen würde man sagen, dass dieser neue Kongressbau über seine sachliche Zweckfunktion hinaus keine repräsentativen Pflichten erfüllt, aber aus Sicht unserer bis zu den Grenzen des Möglichen ‚abstrahierenden’ Zeit erscheint er uns in einem wohltuenden Maß mit architektonischen und künstlerischen Dauerwerten aufgeladen, dass man nicht umhin kann, ihn als die aus Ort, Zweck und Aufgabe geborene Ideallösung zu sehen.“ die Zeitschrift „Baumeister“ im September 1953 über das neu errichtete Gebäude.

 

Nach dem Auszug der Messe 1998 wurde die Halle übergangsweise vom Bauzentrum München genutzt. Die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung übernahm das Objekt 2004. Die Stiftung restaurierte und sanierte das denkmalgeschützte Gebäude. Die veraltete Technik und die abgehängten Decken wurden erneuert, und der zu Messezeiten überdachte Innenhof wurde freigelegt. Die Neubepflanzung orientierte sich an der ursprünglichen Planung der 1950er Jahre.

 

Werke (Auswahl)

1922: Wohnanlage Agnes-Bernauer-Str. 148, Laim, München

1922: Teil einer Wohnanlage Stögerstraße 1, Laim, München

1922: Teil einer Wohnanlage Rappstraße 1, Laim, München

1922: Teil einer Wohnanlage Agricolastraße 18, Pasing, München

1922: Teil einer Wohnanlage Säbener Straße 2, Untergiesing, München

1925: Teil einer Wohnanlage Ettenhueberstraße 1, Laim, München

1925: Teil einer Wohnanlage Stögerstraße 2, Laim, München

1925: Teil einer Wohnanlage Rappstraße 5, Laim, München

1925: Teil einer Wohnanlage Reutterstraße 27, Laim, München

1926: Teil einer Wohnanlage Reutterstraße 23, Laim, München

1926: Teil einer Wohnanlage Rappstraße 12, Laim, München

1926: Teil einer Wohnanlage Perhamstraße 89, Laim, München

1928: Wohnblock Freiland Aidenbachstraße 87-99, Obersendling, München

1935: Verwaltungsgebäude der AOK, Dr. Kittel- und Bustellistraße, Aschaffenburg

1941: Konzentrationslager Frauenlager, Waldkraiburg

1951: Bayerische Notarkasse Ottostraße 10, Maxvorstadt, München

1952: Ladenzeile Boschetsrieder Straße 118, Obersendling, München

1952: Viergeschossiger Wohnblock Zielstattstraße 139, Obersendling, München

1952: Dreigeschossiger Wohnblock Zielstattstraße 145, Obersendling, München

1952: Fünfgeschossiger Wohnblock Schuckertstraße 1, Obersendling, München

1952: Viergeschossiger Wohnblock Schuckertstraße 2, Obersendling, München

1952: Dreigeschossiger Wohnblock Schuckertstraße 7, Obersendling, München

1952: Zweigeschossiger Wohnblock Schuckertstraße 10, Obersendling, München

1952: Fünfgeschossiger Trakt Leo-Graetz-Straße 1, Obersendling, München

1952: Hochhausscheibe Leo-Graetz-Straße 3, Obersendling, München

1952: Viergeschossiger Wohnblock Leo-Graetz-Straße 4 Obersendling, München

1952: Viergeschossiger Wohnblock Leo-Graetz-Straße 8, Obersendling, München

1952: Viergeschossiger Wohnblock Leo-Graetz-Straße 14, Obersendling, München

1952: Sternhaus I Schuckertstraße 14, Obersendlng, München

1952: Sternhaus II Schuckertstraße 13, Obersendling, München

1953: Kongresshalle des Messegeländes (mit E. Etzold und J. Strobl), Theresienhöhe, Schwanthalerhöhe, München

1957: Wiederaufbau, Modernisierung des Münchner Bank Haus, Frauenplatz 2, Altstadt, München

ohne Jahresangabe:

Wohnanlage Agnes-Bernauer-Str. 152, Laim, München

Wohnanlage Grünwalder Straße 17, Untergiesing, München

Wohnhaus Ernst Wiechert im Isartal bei Wolfratshausen

Literatur:

Winfried Nerdinger (Hrsg.): Architekturführer München, dritte Auflage

Winfried Nerdinger und Inez Florschütz (Hrsg.): Architektur der Wunderkinder - Aufbruch und Verdrängung in Bayern 1945-1960

Quellen:

 

http://stadt-muenchen.net/baudenkmal/d_architekt.php?architekt=Freymuth%20Emil; http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=100631260; Winfried Nerdinger (Hrsg.): Architekturführer München, Berlin 2002

Bilder: Ulrich Lohrer